Da lungerte er schon auf der Bühne rum, der rotgewamste und behütete Puck und schien, den ebenfalls roten Vorhang emsig zuhaltend, die langsam den Saal bis auf den letzten Platz füllenden Zuschauer im Oldenburgischen Staatstheater freundlich zwinkernd zu begrüßen. Oder war sein Blick vielmehr ein bißchen spöttisch? Bei Puck weiß man das ja nie so genau, zumal bei diesem, von David Bennent verkörperten nicht, einem Middleager in bester, klassischer Theatertradition mit Deklamationstechnik und einer breit gefächerten mimisch-gestischen Ausdruckspalette.
Beim Anrollen der geheimnisvollen Bass-Glissandi, ein zentrales musikalisches Motiv in Benjamin Brittens 1960 komponierter Oper Ein Sommernachtstraum, gab Puck die samtenen Leinen frei und gewährte so Einblick in einen zeitlosen Raum aus Sinn und Sinnlichkeit.
Jedoch – Die Elfenwelt stand Kopf: Aus dem Schnürboden hing die malerische Silhouette einer historischen Stadt mit äußerst charakteristischen Kirchtürmen herunter – upside down, auf dem Kopf. Lichter am Boden ließen die Sänger gleichsam in einem Meer aus Sternen agieren. Diese berückende, traumartige Impression wurde noch verstärkt durch die sensible, stimmungsvolle und vor allem anfangs mit nebligem Schimmer durchzogene Lichtregie (Herbert Janßen). Im 3. Akt, der großenteils in der Menschenwelt spielt, bestätigte sich dann, was schon manches Pausengespräch fachkundig erahnt hatte: Richtig herumgedreht zeigte die Szene einen Ausschnitt der hübschen Stadtansicht Oldenburgs.
Geblendet von dieser märchenhaften Kulisse realisierte man erst nach und nach die Spuren der Entzauberung, die sich allerorts durch das Reich der magischen Wesen zogen: Den Boden säumende Lichterketten lagen in einem Meer aus Plastikfetzen, Müllsäcke, gar ein gelber Container (das „Blumenbett“ von Elfenkönigin Titania) versteckte sich in der Bühnenmitte. Auch in die zwischenmenschlichen Beziehungen der im Sommernachtstraum ohnehin aufgepeitschten Gefühle streute die Inszenierung stets kleine Widerhaken ein. So waren Liebesbekenntnisse immer gleichsam Entblößungen, was durch das emphatische Ablegen der äußeren Kleidungsschicht verbildlicht wurde. Daher verbrachten die beiden Menschenpaare Hermia/Lysander und Helena/Demetrius den Großteil des Abends mit nichts als weißer Unterwäsche (die Herren zudem noch besockt!) angetan – ein kurioses bis parodistisches Element, besonders in der ganz exquisit choreografierten zentralen Streitszene zwischen bzw. unter den Geschlechtern, in der Ehre und Liebe in Boxershorts und Büstier verteidigt wurden. Dies passte zum generellen Grundton der heimlichen Desillusion aller Paare, in der hier gezeigten Interpretation.
Hermia (mit viel Schmelz: Melanie Lang) ist schon bei ihrer Flucht in den Wald latent genervt vom lahmenden Lysander, der auch noch so tut, als sei sie die Pausenbedürftige, und an Helenas Hoffnungslosigkeit besteht schon beim alten Shakespeare kaum Zweifel. In Oldenburg versteht man übrigens nur zu gut, dass die unglückliche Verschmähte sich in Demetrius’ raumfüllenden, prächtigen Bariton (Daniel Moon) verliebt hat, dass diese Liebe unerwidert bleibt hingegen nicht. Denn Helena (Valda Wilson) ist nicht nur ein großes, graziles Geschöpf, sie legt mit einer solch kantablen Hingabe und stimmlichen Variablität dem Demetrius ihr zartes Herz zu Füßen, dass es einen gar nicht Wunder nimmt, den neben ihr erwachenden Lysander (mit formschönem Tenor: Philipp Kapeller) fortan förmlich an ihren Lippen hängen zu hören.