Dramatische Ereignisse begleiteten Antonín Dvořák, während er sein Stabat Mater in den Jahren 1876/77 komponierte. Nachdem das Ehepaar Dvořák im Jahr 1875 bereits ihre Tochter kurz nach deren Geburt verloren hatte, starben im August und September des Jahres 1877 auch die elfmonatige Tochter und der dreijährige Sohn. So bekam der lateinische Text über die Mutter Gottes, die am Kreuz um ihren einzigen Sohn trauert, für den Komponisten eine sehr persönliche Verbindung – auch er war nun kinderlos.
Vier Solisten ergänzen den Chor und das Orchester, so dass dieses Stabat Mater mit seiner opulenten Orchestrierung und gut neunzigminütiger Aufführungsdauer zu den umfangreichsten Vertonungen des Textes gehört. Während der Leitgedanke des ersten Teils des zehnstrophigen Gedichtes das Leid ist, schlägt das Hoffen auf Trost im zweiten Teil des Werks einen versöhnlichen Ton an. Das zeigt sich auch in der Komposition.
Zwar beginnt der Text mit „Stabat Mater dolorosa“ (Christi Mutter stand mit Schmerzen), allerdings beschreiben die nachfolgenden Strophen nicht mehr das Leid, sondern das Mitleid mit der Mutter Gottes, wie zum Beispiel in der zweiten Strophe: „Quis est homo, qui non fleret, Matrem Christi si videret“(Wer könnt’ ohne Tränen sehen, Christi Mutter stehen). Gegen Ende erbittet der Text jedoch Erlösung durch Jesus. Dvořák arbeitete in der ersten Hälfte überwiegend mit Molltonarten und schmerzlich-dramatischen Gesten, denen er in der zweiten Durtonarten und etwas leichtere Texturen gegenüberstellt, um auch mit einem hoffnungsvolleren Ton zu enden. Den Abschluss bildet eine ausgedehnte, triumphale Amen-Fuge, bevor das Werk ruhig in feierlichem D-Dur ausklingt.
Sacht, fast vorsichtig führte Mariss Jansons das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in das Orchestervorspiel. Das ganze Werk hindurch gestaltete der Lette besonders die getragenen, trauernden Momente der Musik aus und stellte sie den dramatischen gegenüber. So fügten sich die Herren des Chores des Bayerischen Rundfunks mit ihrem Einsatz in einer Stimmung, die ebenso innig wie zu Anfang des Werkes war, passgenau ein und zeigte dann gemeinsam mit den Damen in den ausgedehnten a capella-Passagen und den Pianissimo-Stellen einen fein abgestimmten, homogenen Klang. Dadurch wurden diese Abschnitte im vierten und siebten Chorteil zu besonderen Höhepunkten des Abends.