Glück zu finden, ist fast unmöglich in Tschaikowskis Eugen Onegin. Glücksträume haben sie alle, verwirklichen können sie diese kaum, jedenfalls nicht so, wie sie es sich wünschen. Die Landbesitzerin Larina drückt es so aus: „Ich gewöhnte mich und war zufrieden”. Den Mann ihrer Träume bekam sie nicht. Ihre zwei jugendlichen Töchter Olga und Tatjana haben auch ihre eigenen Vorstellungen vom Liebesglück, wobei Olga sich in Lenski eines Bräutigams sicher zu sein glaubt. Er liebt sie schwärmerisch und himmelt sie an, sobald sie sich nur begegnen.
Die eher schüchterne Tatjana sucht ihr Glück vorerst in Büchern. Doch als ihr Eugen Onegin begegnet, verliebt sie sich Hals über Kopf in den weltläufig erscheinenden Mann. Noch in der Nacht nach der ersten Begegnung schreibt sie ihm einen glühenden Liebesbrief. Aber Onegin weist sie zurück, sie habe Flausen im Kopf und solle sich beherrschen. Sogar als gottgewollt erklärt es Tatjanas Kinderfrau, die alte Filipjewna, dass sie als Dreizehnjährige von einer Heiratsvermittlerin an einen Mann verkuppelt wurde. Emanzipation ist in diesem alten Russland keine Kategorie, schicksalhafte Verstrickung bestimmt das Leben dieser Frauen. Und die Traumata werden von Generation zu Generation weitergegeben.
Sehr genau haben die Regisseurin Olivia Fuchs und die Bühnenbildnerin Nicola Turner am Badischen Staatstheater Karlsruhe dieses Libretto gelesen und erhellend herausgearbeitet, wie Glückshoffnungen sich in großes Unglück verwandeln, weil die Rollenmuster der Frauen sich fatal fortsetzen. Symbolisch eindrucksvoll versinnbildlicht in einem Wald aus geflochtenen Seilen, der im Hintergrund das Einheitsbühnenbild prägt. Und an diesen Seilen wird weiter geflochten, sich in ihnen verheddert oder an ihnen festgehalten.
Auch bei den Männern ist es nicht viel anders, obwohl sie Wahlmöglichkeiten hätten. Wenn sich die Freundschaft zwischen Lenski und Onegin aus nichtigem Anlass zu einem tödlichen Konflikt entwickelt, können beide nicht über den gesellschaftlichen Schatten springen: Viermal Nein zur Versöhnung werfen sie sich gleichlautend an den Kopf – und Lenski stirbt im Duell.
Nur der alte Fürst Gremin ist glücklich. In Tatjana hat er eine junge Frau gefunden, die er abgöttisch liebt. Doch auch sie hat sich, nach ihrem geplatzten Beziehnungstraum mit Onegin, wieder nur in ihr Schicksal gefügt. Zufriedenheit ja, aber Leidenschaft wohl kaum. Denn als Onegin nun in umgekehrter Rolle sie übergriffig bedrängt, mit ihm zu gehen, wehrt sie ihn ab. Sichtlich nicht ohne Entsagungsschmerz, aber doch entschieden.
In psychologisch genauer Charakterzeichnung richtet die Regisseurin ihr Augenmerk auf die Personen. Und es reichen mitunter kleine Gesten, um einer Figur deutlich Charakter zu geben. Dabei erscheint die Ausstattung auf den ersten Blick konventionell. Wir sehen Kostüme aus der Handlungszeit der Oper und opulente Arragements vor allem des großartig singenden Chores für die Feste und Bälle, die den gesellschaftlichen Rahmen der Handlung bilden. So besticht die Inszenierung durch eine wunderbare Verbindung von geradezu klassischer Ausstattung mit einer modernen Sichtweise auf die Konstellationen der Handlung.