Den Ring des Nibelungen in seiner Gänze zur Premierenserie zugleich zyklisch aufzuführen ist nicht nur eine Besonderheit, sondern für jedes Opernhaus, sei es auch noch so groß und Wagner-erfahren, ein überaus umfangreiches Unterfangen. Die Staatsoper Berlin, die eben dieses Projekt innerhalb nur acht Tagen bewerkstelligt hat, noch dazu mit einem eingesprungenen Dirigenten, brachte Wagners Tetralogie nun mit der Götterdämmerung zu einem musikalisch überragenden Ende.
In der Presse und der Berichterstattung im Vorfeld der Premiere wurde immer wieder ein ominöser „siebenstelliger Betrag“ erwähnt, welcher für das Bühnenbild ausgegeben wurde. Die Erwartungen an Dmitri Tcherniakovs Inszenierung, bei der er gleichzeitig für das Bühnenbild verantwortlich ist, waren also dementsprechend hoch. Und zugegebenermaßen beeindruckt der riesige Korpus auf der Bühne der Staatsoper mit seinen immer tiefere Einblicke gebenden Etagen, Räumen und sich später immerzu drehenden Kulissen. Die als Vorhang fungierende Blaupause verrät, dass selbst dieser Korpus nur ein kleiner Teil des übergroßen Forschungszentrums ist. Was im Rheingold jedoch verheißungsvoll begann – mit ungewöhnlichen aber nicht minder abwegigen Ideen – lieferte spätestens im Siegfried antiklimaktische Enttäuschung, was die durchweg guten bis sehr guten Leistungen der Sänger*innen nicht immer wett machen konnten.
Tscherniakov entmystifiziert, er entzaubert und beraubt den Ring seiner Symbolik. Statt einer starken, auf Wesentliches reduzierten Bildsprache, macht er es sich allzu leicht, wenn er sich jeglicher Symbolik verweigert und stattdessen Ernüchterung und Minimalismus als Selbstzweck agieren. Bereits die Enthüllung des Rheingolds lässt er ganz im Kopf Alberichs abspielen, und auch die fatale Kampfszene zwischen Siegmund und Hunding findet vollständig im Off statt.
In der Götterdämmerung hält er es nicht für nötig, Siegfried als Gunther zu verkleiden, wenn sich dieser Brünnhilde nähert und das Weltenende möchte man gar als Rohrkrepierer bezeichnen. Statt des großen Coups zum Finale mangelt es Tscherniakov auch hier an originellen Ideen. Immerhin hat das Interieur des Forschungszentrums ein lang überfälliges Makeover bekommen – die in die Jahre gekommene Holzvertäfelung in Esche Rustikal musste klinisch weißen und kalten Oberflächen weichen, ohne jedoch von der Inhaltsleere der Produktion ablenken zu können.
Lediglich im ersten Akt, den er wie zuvor schon in der Walküre und im Siegfried in dem offenen Korpus beginnen lässt, gibt er Einblick in Brünnhildes angeknackstes Seelenleben. So wird ihre Darstellung zum Psychogramm einer ehemals unabhängigen, starken Frau, die nun lediglich als „Frau von“ ihr Dasein in Abhängigkeit zu ihrem Mann fristet. Brünnhildes Befinden scheint allzu sehr von der Anwesenheit Siegfrieds abhängig zu sein. Verlässt er das traute Heim, verfällt sie alsbald in eine Art Alltagsdepression, verbringt den Tag im Schlafanzug und ist in ihrer Lethargie gefangen.