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Benjamin Bernheim begeistert in Roméo et Juliette an der Wiener Staatsoper

Par , 15 mai 2025

Félicitations! Gratulation an Benjamin Bernheim für eine großartige Vorstellung in der männlichen Titelpartie von Charles Gounods Roméo et Juliette. Wer noch kein Fan des französischen Repertoires war, ist es bei der dritten und letzten Vorstellung dieser Serie an der Wiener Staatsoper vielleicht geworden.

Benjamin Bernheim (Roméo)
© Wiener Staatsoper | Michael Pöhn

Der französische Tenor hat sich mit seinem leuchtenden Timbre, bombensicherer Technik und viel Stilgefühl auf die großen Opernbühnen dieser Welt gesungen, und man ist dankbar, ihn an der Staatsoper in der herausfordernden Partie des Roméo zu erleben. An dieser haben sich schon große Namen den einen oder anderen metaphorischen Zahn ausgebissen, während bei Bernheim alles leicht erscheint und als Beispiel für Phrasierungskunst und Kantilene gelten kann. Dabei ist er in jeder Hinsicht uneitel und rückt nicht sich selbst oder den Showeffekt in den Vordergrund, sondern den Gesang. Und auf dessen Wirkung kann er sich voll und ganz verlassen, denn die Stimme besticht auch im Piano von „Adieu mille fois! Va! Repose en paix!“, das den zweiten Akt beschließt und einer der Höhepunkte des Abends, wenn nicht der gesamten Opernsaison war. Auch in darstellerischer Hinsicht sucht er nicht auf billige Effekte, sondern bevorzugt Subtiles. In einer Branche, deren bunte Vögel lieber auf die große Geste setzen, ist das ungewohnt, aber in seiner unaufgeregten Wahrhaftigkeit sympathisch.

Aida Garifullina (Juliette)
© Wiener Staatsoper | Michael Pöhn

Allein die gemeinsamen Szenen mit seiner Juliette, allen voran das Duett „Nuit d’hyménée“, hätten für einen denkwürdigen Opernbesuch gereicht, denn auch wenn Aida Garifullina nicht ganz auf der Höhe des Könnens von Bernheim ist, war sie ihm dennoch eine ansprechende Partnerin. Sie ist in der Partie der Juliette gefordert, da sie in recht hoher Tessitura beginnt und das „Je veux vivre“ im ersten Akt auch viel Flexibilität braucht. Das hatte ein paar Ecken und Kanten, aber steigerte sie sich stetig und ließ viel Ansprechendes hören. Das inkludiert auch die dramatische Gift-Szene, in der sie alles bis zur (allerdings kaum hörbaren) Erschöpfung gab. So viel Einsatz und Spielfreude sind mitreißend, weshalb sie mit ihrem zurückhaltenden Roméo ein spannendes Duo bildete, das sich gut ergänzte und zwischen dem die Chemie offensichtlich stimmte.

Das ist natürlich für jedes Bühnen-Liebespaar wichtig, aber in der Lichtarchitektur von Patrick Woodroffe, welches die Liebenden buchstäblich ins Scheinwerferlicht rückt, ganz besonders. Was in profaneren Momenten von Jürgen Flimms Regiearbeit an die Beleuchtung von Rockkonzertbühnen der Achtziger erinnert, zaubert aus dem Nichts eine Krone aus Lichtkegeln, in der die Liebe regiert, und die „Zeiten des Hasses“, wie Roméo Shakespeares berühmten Konflikt zwischen den Montagues und den Capulets bezeichnet, buchstäblich in den Schatten stellt.

Patricia Nolz (Stéphano)
© Wiener Staatsoper | Michael Pöhn

Von den kleineren Partien überzeugte Patricia Nolz in der Hosenrolle des Stephano, auch wenn sie im ersten Akt für ihre Verhältnisse wenig auffiel. Peter Kellner gefiel als Frère Laurent und brachte dabei auch Humor ein. Dasselbe ist von Stephanie Houtzeel zu sagen, bei welcher Figuren wie Gertrude (Juliettes Amme) bestens aufgehoben sind. Als Juliettes Vater Capulet konnte Wolfgang Bankl seinen starken Auftritt als Arabellas Vater leider nicht wiederholen, wirkte zudem merkwürdig kurzatmig. Solide immerhin der Auftritt des Duc in der Gestalt von Ivo Stanchev, der zuletzt ebenfalls als Vaterfigur (in Iolanta) zu erleben war. Stefan Astakhov überzeigte als Mercutio eher mit darstellerischem Einsatz als gesanglich, was in umgekehrter Form für Hiroshi Amakos Tybalt gelten kann – insofern waren die beiden als verfehdetes Duo nicht perfekt, aber passend besetzt. In der Gesamtbetrachtung des Bühnenpersonals fällt positiv auf, dass die französische Sprache von allen Beteiligten bis hin zum Chor deutlich idiomatischer als üblich klang.

Aida Garifullina (Juliette) und Benjamin Bernheim (Roméo)
© Wiener Staatsoper | Michael Pöhn

Marc-Leroy Calatayud gab mit dieser Serie sein Debüt am Pult des Staatsopernorchesters, und die hier besprochene dritte Aufführung weist dieses als Erfolg aus: Unter seiner sängerfreundlichen Führung glitzerten die lyrischen Stellen, allen voran der bereits erwähnte zweite Aktschluss, mit den Sternen des Beleuchtungskonzepts um die Wette. Auch der Trauerchor des dritten Aktes machte Eindruck und erinnerte daran, dass Gounod auch ein versierter Kirchenmusiker war. Den atmosphärischen Gegenpol dazu bildete die Ouvertüre mit einem gerüttelt Maß an Bombast, was für diese große, ewige Geschichte aber nicht verkehrt ist.

In Summe gab es so viel Erfreuliches, dass die fünf Akte wie im Flug vergingen und die Qualität des Gelungenen so manche Schwäche einfach überstrahlte.

****1
A propos des étoiles Bachtrack
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Critique faite à Wiener Staatsoper, Vienne, le 13 mai 2025
Gounod, Roméo et Juliette
Wiener Staatsoper
Marc Leroy-Calatayud, Direction
Jürgen Flimm, Mise en scène
Patrick Woodroffe, Décors
Birgit Hutter, Costumes
Orchester der Wiener Staatsoper
Concert Association Vienna State Opera Chorus
Aida Garifullina, Juliette
Benjamin Bernheim, Roméo
Patricia Nolz, Stéphano
Peter Kellner, Frère Laurent
Hiroshi Amako, Tybalt
Stefan Astakhov, Mercutio
Stephanie Houtzeel, Gertrude, nourrice de Juliette
Renato Zanella, Chorégraphie
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