Nachdem das Osmanische Reich ab dem 14. Jahrhundert sukzessive zur Großmacht aufgestiegen und bis ins Abendland vorgerückt war, dauerte es noch eine Weile, bis die exotischen Einflüsse in die Musik des Barock, der Klassik und beginnenden Romantik Einzug fanden. Vornehmlich handelt es sich dabei um türkische Militärmusik, die an Höfen praktiziert wurde, da die Janitscharen so etwas wie musizierende Ritter der Sultanate darstellten. Das bekannteste Beispiel verwendete Mozart in seiner Oper Die Entführung aus dem Serail, das zwischen Lully, Rameau und von Weber heute eigentlich alle anderen Vertonungen vergessen machte, wie es schon Goethe feststellen musste. In der Reihe der Singspiel-Entdeckungen beim Festival der Brühler Schlosskonzerte war es an Andreas Spering und seiner Capella Augustina, nun kurz nach den Kollegen um Michi Gaigg und ihrem L'Orfeo Barockorchester Haydns Variante L'Incontro improvviso in historischer Spielpraxis aus der Truhe zu holen.
In der Libretto-Fassung von Glucks Stoffverwertung – teilaufklärerisch ohne westlichen Helden! – gibt es natürlich ein adliges Liebespaar, das schon einige Schicksale durchlebt hat, indem es sich nach gemeinsamer Flucht aus Persien und ihrer Trennung durch Piraten in Kairo wiederfindet. Rezia, die Prinzessin, ist dabei mit gewissen „Freiheiten“ im Harem des Sultans gelandet, Ali immer noch auf der Suche nach ihr, ohne zu wissen, dass seine Geliebte in der Stadt ihr Dasein damit fristet, dem Werben des Herrschers irgendwie zu entgehen. Beide haben Vertraute an ihrer Seite, wobei die Damen Rezias Ali auf die Treueprobe stellen, während dessen einfältiger Diener Osmin Essen, Trank und dem listigen Calandro dergestalt verfällt, von der Befreiung und abermaligen Absetzung zu erzählen. Letzterer interessiert sich für das Kopfgeld, sodass die Flüchtenden zum Tode verurteilt werden, nachdem eine typsiche Verkleidungsaktion zur letzten Rettung scheitern muss. Aber es kommt, wie es doch 1775 kommt: der Sultan entpuppt sich als Gütling, der die richterliche Strenge wiederum inszeniert hatte, um sich als großzügigen Mildewalter abfeiern zu können, ehe er sich sich neuer „Unterhaltung“ zuwendet.
Selbst wenn eben Mozart der Schatz der Schätze in diesem Metier ist, wer könnte darüber hinaus besser für ein Dramma giocoso geeignet sein als Haydn!? Seinen Einfallsreichtum, Witz und technisch-musikalischen Anspruch nahmen die Experten und Festival-Gastgeber der Capella Augustina jedenfalls ausgiebig zum Anlass, die sich durchziehende Figuren- und Verzierungssause so rasant durchwuseln zu lassen, als befände man sich tatsächlich in den belebten Straßen der ägyptischen Hauptstadt. Und dort just in den meistens besungenen Kammern voller Speis und alkoholischem Getränk, wenn es in den Streichern aufjaulte oder das neckische Trällern von Osmin und Calandro ebenso unterhaltend mit Trillern oder ironischem Hämmern accompagnierte. Oder im Kopf des bis zum Finale imaginär bleibenden Sultans, als das Ensemble vor wütender Raserei ob Rezias Fluchtplan um sich schlug. Nicht nur besonders hörbar im theatralischen Stellen der Flüchtenden mit Säbeln und Kanonenschüssen, auch in den Final-Presti und -Prestissimi akzentuierte sich die Capella lautmalerisch mit Sforzati-Gemenge durch gerade dieses nicht ernst zu nehmende Palawer, wobei die geübte Balance in der Treppenhaus-Akustik nicht zum Verdecken der Solisten führte.