Die Oper eines Italieners, in Paris uraufgeführt, die in den Tiroler Bergen spielt! Gaetano Donizetti, der immerhin 71 Opern komponierte, eroberte Mitte des 19. Jahrhunderts auch die Bühnen Frankreichs. Drei seiner neuen Opern, zwei an der Opéra und La Fille du régiment an der Comique, waren es schließlich, mit denen er 1840 Paris im Sturm eroberte. Die französischen Librettisten Jean-François Bayard und Jules-Henri Vernoy de Saint-Georges hatten das Textbuch verfasst; und nicht nur Hector Berlioz beklagte einen „wahren Invasionskrieg”. Die schmissige Cabaletta „Salut à la France“ galt quasi als zweite Nationalhymne. Donizettis italienische Fassung wurde im gleichen Jahr an der Mailänder Scala erstaufgeführt, setzte sich aber nicht durch. Und bereits 1843 lief die erste Aufführung der ins Deutsche übersetzten Regimentstochter in München. 90 Jahre nach der letzten deutschsprachigen Inszenierung kommt sie hier nun in der französischen Urfassung wieder neu auf die Bühne der Bayerischen Staatsoper.
Verdis Aida, Damiano Michielettos erste Regiearbeit in München, war mit gemischten Gefühlen aufgenommen worden. Die Neuproduktion von La Fille du régiment wurde vom Premierenpublikum nun einhellig begrüßt. Michieletto erzählt mit wohlwollender Sympathie die Geschichte der jungen Marie, die als Findelkind von den Soldaten des französischen 21. Regiments in Tirol aufgenommen worden ist und seitdem als Regimentstochter ein glückliches, jungenhaftes Leben zwischen Holzhacken und Trommelspiel führt. Dass sie sich in den Bauernsohn Tonio verliebt hat, als Tochter des Regiments aber nur einen Soldaten aus der Truppe heiraten darf, wird zum Problem. Tonio überlegt nicht lange und tritt, als Tiroler eigentlich ein Feind der Besatzungstruppe, dem Regiment als Soldat bei, um dieses Hindernis auszuräumen.
Paolo Fantins Bühne bildet den passenden Rahmen, ohne zu viel Schnickschnack anzuhäufen. Vor einer überdimensionalen Waldfotografie, deren Nadelbäume bereits das Baumsterben ahnen lassen, erstreckt sich im ersten Akt eine schräge Spielfläche, auf der Soldaten zackige Manöver durchführen. Agostino Cavalca hat sie in noble Fellmützen und edelweiße Paradeuniformen mit Frackschößen gesteckt, die man eher bei salutierenden Gardesoldaten suchen würde. Auch Marie, deren Feuereifer der Kommandant Sulpice geprüft hatte, darf in diese Uniform hineinwachsen.
Bald erkennt Marquise de Berkenfield in Marie ihre uneheliche Tochter, Frucht einer Liebschaft mit einem französischen Offizier. Sie nimmt sie auf ihr Schloss mit, um sie in die adelige Gesellschaft einzuführen und mit dem einflussreichen Duc de Crakentorp zu vermählen. Auch hier beherrscht moderne Nüchternheit die Bühne; am Rand dominieren ein barockes Sofa und eine alte Harfe, auf der Marie unlustig ihre Fingerübungen absolviert und sich während der Singstunde in dissonante Harmonien flüchtet. Michieletto zieht hier alle Register von Humor und Komödiantik. Bedienstete tragen Maries Abschiedsgeschenk der Kameraden, ein riesiges Rechteck aus dem Waldpanorama, herein und hängen es in den wandfüllenden Rahmen; ein wunderbar ausgespielter Regieeinfall, der beide Stränge von Maries Herkunft nun in einem Raum vereint. Obwohl sie sich nur schwer an das Leben im Schloss gewöhnen kann, will sie den Duc aus Pflichtgefühl ehelichen.