Das Arbeitsjahr Pygmalions und Raphaël Pichons begann und endet mit Felix Mendelssohn. Spielten sie im Januar dessen Symphoniekantate, widmeten sich Ensembles und Dirigent jetzt Mendelssohns oratorischem Bestseller schlechthin. Dem Elias, den sie 2016 erstmals in ihrem gemeinsamen Wirken live vorstellten. Diesmal – nach und vor hier rezensierter Veranstaltung an vorletztsaisonaler Residenzstätte in Essen – unter anderem in Hamburg und Wien, eine Geburtsort Mendelssohns, andere weltweit bestauntes Musikzentrum, in denen im Oktober respektive November 1847 die Aufführung in Deutsch unter Mendelssohns Leitung hätte stattfinden sollen. Heute, und so auch bei Pichon, wird das Werk vornehmlich in Mendelssohns Muttersprache interpretiert, was der Notensetzer – wegen Nichtteilnahme an ohne ihn eingeplanter eigentlicher Premiere seiner Endfassung am 29. August 1847 in Köln – leider nicht mehr miterleben konnte.
Die erste, englische Version von 1845/46 hatte er noch selbst dirigieren können. Und beim deutschen Text, den William Bartholomew ins Englische übersetzen musste, auch Hand angelegt. Gezwungenermaßen, sprang ihm 1838 sein so treuer Freund Karl Klingemann, der ihn später bei den Uraufführungen auf der Insel begleiten sollte, als Librettist ab. 1845 dann ging Mendelssohn ein anderer seiner guten Freunde, der Pfarrer und Paulus-Texter Julius Schubring, der letztlich den Großteil von Elias-Bibelstellen zusammentrug, von der Fahne. Ihm schrieb er, was er für einen Anspruch hatte: Beim Elias müssten „das Dramatische vorwalten […], die Leute lebendig redend und handelnd eingeführt […] und eine recht anschauliche Welt, wie sie im alten Testamente in jedem Kapitel steht, erzeugt werden […].“
Vorlagen, die bei Pichon keine Gefahr laufen, nicht beachtet zu werden. Die Theatralik strömte schließlich aus allen Poren, indem instrumentales und vokales Pygmalion-Beben als eigenes Wunderwerk einem die Klage- und Abwehrmonstranzen des verleiteten Volks, das mit Dürre und Feuerregen strafende, erd-, himmel- und wasserauftuende Gotteserscheinen sowie das ehrfürchtige Licht der (rückbesinnend) erkennenden Huldigung um die Ohren warf.
Durch die griffige, transparente Detail- und Spielschärfe der historischen Instrumente sowie der immer verständlichen, deklamationsakzentuierten, kompakt durchschlagenden wie kultivierten Chorstimmen trafen die Klangmassen so auf das Hörorgan und direkt übersetzend in die emotionalen Bahnen, dass sie Mendelssohns Ansprüchen extremer Kontraste und Steigerungen flexibel gerecht wurden. Folglich verfiel Pichons Chor in seinen Form- und Sichtwandlungen beim tosenden Schrecken niemals in missinterpretiertes Schreien oder sonst in kitschig, breit dahinschwimmendes Evergreenisieren der Sätze ohne merklichen Ausdruck. Vielmehr erfuhr alles in dynamischer Entsprechung eine kristalline, leuchtende, flüssige Frische, eben wie das erste erlösende Nass nach Trockenheit und Hitze oder die Engel als wohltuende Abwechslung einer neuen, spannenden Zeit.