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Designen und vereinen: Mendelssohn-Zyklus des Kammerorchesters Basel

Par , 28 octobre 2024

Nach dem Auftakt des Mendelssohn-Zyklus des Kammerorchesters Basel unter Philippe Herreweghe 2022 mit der „Schottischen“, dem Ersten Klavierkonzert und einer Ouvertüre von Schwester Fanny Hensel, 2023 mit der „Reformationssymphonie“, Robert Schumanns Violinkonzert und einer Eröffnungsmusik William Sterndale Bennetts sowie der Einspielung der „Italienischen“ diesen Sommer, ging es nun im Konzert mit der Ersten Symphonie weiter. Unter anderem im Konzerthaus Dortmund, wo Mendelssohns Frühwerk, zusammen mit dessen Zweitem Klavierkonzert, auf die Fünfte, eigentlich Siebte Symphonie Emilie Mayers traf.

Philippe Herrweghe
© Michiel Hendryckx

Beide symphonischen Werke weisen jeweils äußere Gemeinsamkeiten auf, die manchmal etwas grundlegend irritierende, heute eingebürgerte Zählweise bereits erwähnt. So verwendete Mendelssohn für das zunächst als 13. Streichersymphonie komponierte Stück erstmals die volle Bläserbesetzung der Beethoven- und späten Haydn-Zeit, während sich Mayer mit der f-Moll-Symphonie wiederum mehr am späteren Mendelssohn orientierte, lernte sie zuvor die Künste Haydns und Beethovens näher kennen, schätzen und für ihre Musik zu gebrauchen. Beide Symphonien wurden in Berlin komponiert, wo übrigens die Komponisten nicht unweit voneinander auf dem Dreifaltigkeits-Friedhof beigesetzt sind.

Apropos Besetzung: Unterschiedlich stellt sich die Verwendung der Instrumente beim KOB dar, das sich für Mendelssohn auf die – nach wie vor unverständliche, jetzt aber gleichwohl und immerhin klanglich besser funktionierende – Vorgehensweise beim eigenen Beethoven-Zyklus verständigte, historische Streicher und Bleche, beim Holz – und nun auch Flügel – allerdings moderne Geräte zu benutzen. Sie fanden eine einheitliche, bei Herreweghes miniaturistischen Bewegungen immer wieder von der engagiert-kommunikativen Konzertmeisterin Julia Schröder umso animiertere Phrasierungs- und Dynamiksprache, die selbstverständlich nicht auf pathetisch-patinabehaftete, schnulzige Schwere, sondern plastisch-lichtes, warmes, klar definiertes Design setzte.

Eine, die – seit geraumer Zeit bei Herreweghe erfreut beobachtet – nicht mehr zu sehr an schnellen Tempi und Zügen theatralischeren Feuers spart. Beides, in Kontrastierung zum eher dann wieder noch mittelwegigen, um mezzoforte und -piano kreisenden Menuetto, offenbarte sich im Kopf- und gesteigerten Schlusssatz der Ersten Symphonie, in denen der jugendlich stürmische Charakter durchaus elektrisierend zum Vorschein kam.

Tempo- und Temperamentsschwung brachte auch Bertrand Chamayou am keinerlei Balanceschwierigkeiten aufweisenden Flügel im Zweiten Klavierkonzert ein und an, von denen stets nochmals das Orchester in den Aufdramatisierungen profitierte. Dabei ging der Pianist in Herreweghes urformendem Sinne schnörkellos zu Werke, platzierte nur kleinere Rubati zu Übergängen und Affektspitzen, während er block- wie bockstarke Konturen in den Registern anlegte und mit organischer, beeindruckender Sattelfestigkeit durch die Laufketten flirrte. Im weich gebetteten, gelassenen Adagio verträumt, entflammte im Finalsatz südländisches Virtuosenfurioso mit stärker betonten Ausflügen der linke-Hand-Tiefen in Kurzkontrasten mit luftigen rechte-Hand-Höhen im scherzando-Modus, dem das KOB mit intensiveren Farbbeimischungen der Bleche und der zuvor im Vergleich zur Symphonie etwas zurückhaltenderen Pauken nachging.

Stichwort Blech und Pauke: Die Bläser des Kammerorchesters Basel bestanden bei Mayers Siebter mit zusätzlichen zwei Hörnern und einer Posaune nun ebenfalls gänzlich aus modernen Varianten, das Schlagwerk agierte zunächst erneut weiter abgemildert. Ohne Herreweghes Grunddogma der Schlankheit damit aufzugeben, änderte sich das Klangbild zu einer kompakt-mäandernderen Fülle, aus der dann jedoch im zweiten Satz der Symphonie sowohl das Horn-Solo als auch jenes höchst angenehm schlichte des Cellos (Christoph Dangel) wie eine besinnlich-besinnende, ausgleichende Retrospektive anmutete.

Ähnlich wie beim Mendelssohn, wurde explizit der dritte Satz nicht zu exaltiert genommen, wobei das zitierend und eigenwillig Scherzandohafte Mayers dennoch zugleich mit etwas bestimmenderer Art und wieder reaktivierenderer Pauke zu konstant lebendigen Phrasierungs- und Betonungsmarkern durchschimmerte. Dies diente als Hinführung zum mitunter skurril-wuseligen Mehr des mit Allegro vivace gleich übertitelten Schlusssatzes, in dem Streicher und Bleche bissiger zupackten, um Mayer in diesem Mendelssohn-Zyklus aufmerksamkeitsfördernde und honorierende, alles andere als randerscheinende Wirkung zu verschaffen.

****1
A propos des étoiles Bachtrack
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“der jugendlich stürmische Charakter [der Ersten Symphonie] kam elektrisierend zum Vorschein”
Critique faite à Konzerthaus Dortmund, Dortmund, le 27 octobre 2024
Mendelssohn, Symphonie no. 1 en ut mineur, Op.11
Mendelssohn, Concerto pour piano et orchestre no. 2 en ré mineur, Op.40
Mayer, Symphony no. 5
Kammerorchester Basel
Philippe Herreweghe, Direction
Bertrand Chamayou, Piano
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