Starke Gegensätze sind im heutigen Konzertleben nichts Ungewöhnliches: Oft wird Klassisches mit Modernem kombiniert, sei es, um „trotz Moderne“ den Saal zu füllen, oder um ein ansonsten rein klassisches Programm aufzuwürzen und den Anschein von Routine (oder Langeweile) zu vermeiden. An diesem Abend waren die Gegensätze anderer Art: vor der Pause Mozarts vielleicht verhaltenstes, verinnertlichtestes Klavierkonzert (zumal in dieser Aufführung!), danach die große Fünfte Symphonie von Anton Bruckner, aus dessen gläubiger Seele musikalische Eingebung mit Urgewalt hervorbricht und sich in riesige musikalischen Formen ergießt.
Zusammengestellt hat sich dieses Programm David Zinman, der nach fast zwei Jahren – jetzt als Ehrendirigent – wieder an das Pult des Tonhalle-Orchesters zurückkehrte. Im ersten Teil begleitete er dabei den Solisten Radu Lupu im c-Moll-Konzert von Mozart, dessen Kopfsatz ernste, aufwühlende Züge aufweist. Schon die Orchestereinleitung machte klar, dass das Kämpferische hier für einmal in den Hintergrund treten würde: Die reduzierte Besetzung des Orchesters musizierte mit verhaltenem Ton, in oft dunklen Farben, am Beginn so gedämpft, dass man fast glauben mochte, die weich und glatt klingenden Streicher spielten con sordino.
Ganz im Sinne der Partitur blieb der Satz meist im Piano, überstieg nie ein Forte. Diese Charakterisierung war natürlich auf den Solisten abgestimmt, der für seine lyrisch-poetischen Interpretationen bekannt ist. In seinen Händen klang auch der Flügel verhalten, eher weich, fast zerbrechlich; ich hatte manchmal fast den Eindruck, der Pianist spiele una corda. Mir gefiel die sorgfältige Artikulation und Phrasierung, die sanfte Agogik, die großen Bögen. Nie war er aufdringlich, wirkte manchmal ganz gedankenverloren, fast wie beiläufig, ließ die Linien der beiden Hände zusammenfließen. Umso mehr blühten dazwischen Arabesken im Solopart auf; immer aber blieb Lupu in enger Partnerschaft mit dem Orchester, behielt Kontakt mit den Bläsersolisten.
Mozart hat keine Kadenz niedergeschrieben und ich nehme an, Radu Lupu spielte seine eigene: nicht übermäßig lang, ganz wie im Moment erdacht (war sie es gar?), versonnen, etwas versponnen, wie mit harmonischen Irrungen und Wirrungen, ganz wie momentane Eingebungen, scheinbar den Faden in einem langen Triller verlierend, um ihn dann urplötzlich in drei forte-Schlägen wieder an das Orchester zurück zu geben. Nach einem kurzen Aufbäumen endet der Satz wie beiläufig.
Das Larghetto gab Radu Lupu volksliedhaft-einfach, oft wie improvisiert, im besten Sinne re-produktiv, d.h. die Musik wieder-erfindend. Wunderbar das Wechselspiel mit den Bläsern, speziell mit den Fagotten und Klarinetten (letztere sanft und weich, fast wie Bassetthörner). Das Solo blieb komplett introvertiert, in sich versunken, sehr legato; selten wurde eine Phrase über das Haltepedal etwas verschleiert. Das Tonhalle-Orchester unterstützte, begleitete unaufdringlich, wobei Solist und Dirigent sicherstellten, dass der Fluss erhalten blieb. Einzig im verklingenden Schluss erlaubte sich Lupu ein sanftes Ritardando.