Während eine der teilnehmenden Schülerinnen eines Musikvermittlungsprojektes in der Kölner Comedia dem Publikum erzählte, auf einer „Mangoline” gespielt zu haben, brachte das Gürzenich-Orchester Köln am selben Abend in der Philharmonie ein ganz besonders gelungenes Stück Musikvermittlung auf die Bühne. Dass Vorbehalte gegenüber neuer Musik ganz unbegründet sind, wenn diese zeitbezogen, humorvoll und professionell dargeboten wird, wurde in einer Glanzstunde des Kölner Acht Brücken-Festivals erfolgreich und paradigmatisch unter Beweis gestellt.
François-Xavier Roth, seit 2015 begnadeter Chef dieses Kölner Opernorchesters – bis jetzt ohne festen Opernhaus – ließ sich in der letzten Umbaupause auf dem Podium von seinem Konzertdramaturgen Patrick Hahn interviewen und schlüpfte dabei schauspielernd in die Rolle des gestrengen Musikpuristen, der in der klassischen Musik nur eine sehr seriöse Angelegenheit sehen kann. Als er kurz darauf mit Hund und blonder Trump-Perücke auf die Bühne zurückkam, war auch dem unvorbereiteten Teil des Publikums deutlich, dass Zimmermanns Musique pour les soupers du Roi Ubu an diesem Abend mit sehr viel Sorgfalt und Tiefgang in Szene gesetzt werden würde.
Zimmermann hatte für sein 1966 geschriebenes Ballet Noir nach Alfred Jarry eine sehr radikale Kompositionstechnik eingesetzt. Uraufgeführt zu einem Festakt der Berliner Akademie der Künste, deren Mitglied er seit 1965 ist, besteht es ausschließlich aus Zitaten aus bereits bestehenden Kompositionen. Kurze Passagen von Wagner, Beethoven über Schubert, Strawinsky, Bach, William Byrd, Orlando Gibbons und dem Radetzky-Marsch bis hin zu Stockhausens Klavierstück IX, werden in sieben Sätzen kunstvoll aneinander gereiht. Die Satzüberschriften wurden in dieser Kölner Aufführung auf großen tragbaren Tafeln angezeigt und jeweils durch aktuelle Couplette eingeleitet, kunstvoll vorgetragen von kostümierten Gürzenich-Musikern. In diesen Zwischentexten wurde nicht nur auf den sprichwörtlichen Kölner Klüngel Bezug genommen (wie in den Karnevalssitzungen der fünften Jahreszeit), sondern auch die aktuelle Weltpolitik nicht gescheut. So wurde vor dem sechsten Satz Wiegenlied der kleinen Bankiers, die nicht einschlafen können explizit auf den schon neun Monate dauernden Hausarrest des russischen Regisseurs Kirill Serebrennikow hingewiesen.
Roth überzeugte in diesem Stück durchgängig mit gutem Gefühl für Dynamik und Klangbalance. Selbst die große Philharmonieorgel des Bonner Orgelbauers Johannes Klais wusste er trotz vollen Registern gut in den Gesamtklang einzufügen. Als er vor dem Marsch der Gehirnzermantschung dann auch noch selbst einen kritischen Text zur Manipulation von Nachrichten vortrug und gleichzeitig die Antworten seines in diesem Moment vollzählig zeitunglesenden Orchesters dirigierte, war wohl auch dem letzten Zuhörer deutlich, welch ein Glücksgriff dieser vielgefragte Franzose als Generalmusikdirektor für Köln war.