Das Bockenheimer Depot ist bekanntermaßen ein Ort für Experimentelles. Dort werden ungewöhnliche Barock-Raritäten, Uraufführungen und Jugendopernprojekte realisiert. Die aktuelle Produktion ist wieder eine der in Frankfurt schon zur Hausordnung gehörenden besonderen Verbindung zweier Kurzopern. Nachdem in den letzten Spielzeiten bereits beispielsweise Dido und Aeneas mit Herzog Blaubart Burg und Oedipus Rex mit Iolanta verbunden wurden, widmet man sich nun zwei Opern des 20. Jahrhunderts, die musikalisch, aber auch in ihrer szenischen Umsetzung kaum unterschiedlicher sein können.
In Gian Carlo Menottis The Medium (UA 1946), einer Tragödie in zwei Akten, geht es vorrangig um eine Séance im Hause des selbsternannten Mediums Madame Flora, die mithilfe ihrer Kinder ahnungslosen Trauernden das Geld aus der Tasche zieht. Doch statt der bloßen Gruselgeschichte, offenbart The Medium vielmehr auch den Blick in einen dysfunktionalen Haushalt mit all seinen familiären Problemen.
Die Inszenierung von Hans Walter Richter ist hochwertig und realistisch gestaltet und nimmt amerikanische Poltergeist- und Gruselfilme aufs Korn, erinnert dabei auch durchaus an Hitchcock und die Filme des alten Hollywoods. Bei den Effekten wird tief in die Theatertrickkiste gegriffen und der ganze Theaterraum bis unter die Decke des Depots genutzt. So versteckt sich Toby während der spiritistischen Sitzung auf dem Dachboden, spielt den Poltergeist und kreiert die übernatürlichen Effekte.
The Medium lebt neben dem detailreichen Bühnenbild auch von der hervorragenden Sängerbesetzung. Allen voran beeindruckte Meredith Arwady als herrische einschüchternde Madame Flora mit kraftvoller und vielschichtig gestaltender Alt-Stimme. Ihre alles einnehmende Bühnenpräsenz stand darstellerisch im Kontrast zu Toby, der von Marek Löcker mit zu Tränen rührender Hilflosigkeit verkörpert wurde. Einzig Monica, gesungen von Louise Alder, hat Mitleid und aufmunternde Worte für ihn übrig. Sie überzeugte mit klarer strahlender Stimme und jugendlicher Frische und bewies schauspielerisches Feingefühl für jede Situation. Sie sang den „Black Swan Song“ eindringlich melancholisch mit lyrischer Schönheit. Alle Sänger transformierten die nur vordergründig unterhaltsame Gruselgeschichte dank lebhafter und einfühlsamer Personenregie in ein tieftrauriges Familiendrama mit vielschichtigen und nachvollziehbaren Charakteren.
Gian Carlo Menotti, dem von seinen Kritikern immer wieder Sentimentalität, Oberflächlichkeit und fehlende Modernität vorgeworfen wird, begründete den Erfolg dieser Oper vorrangig am Broadway, wo sie bereits 1947 fast 200 Mal aufgeführt wurde. Selbst Toscanini war begeistert. Dieses „Verismo-Musical”, das entgegen der gegenwärtig vorherrschenden und bei vielen Komponisten beliebten Atonalität Inspiration in Puccinis Opern schöpft, wurde von Nikolai Petersen mit einem frischen, weniger angestaubt als die Inszenierung wirkenden Dirigat präsentiert. Die enge Verzahnung von Musik und Geschehen wurde dramatisch umgesetzt und bildete einen geschlossenen Rahmen.