Die Academy of St Martin in the Fields (ASMF), Julia Fischer an der Violine, Yulianna Avdeeva am Klavier und die Premiere eines neuen Violinkonzertes waren schon viele Attraktionen für einen Abend. Dass Julia Fischer auch die Leitung des Orchesters übernahm, erschien in dieser Situation sehr sinnvoll, trug jedoch im Vorfeld zusätzlich zur Spannung bei, mit der ich das Konzert erwartete.
Am Anfang des Konzertabends stand die Premiere des Violinkonzertes von Andrey Rubtsov. Die ASMF, nur in Streicherbesetzung angereist, begleitete Julia Fischer durch das eigens für sie komponierte Werk - ein Umstand, der sich aus der gewachsenen Künstlerfreundschaft zwischen Komponist und Solistin ergab. Gleich im ersten Satz, der einem Scherzo ähnlich ist, wird der stilistische Rahmen des gesamten Konzertes festgelegt, das sich nicht weit aus romantischen Gefilden heraus bewegt. Die Solistin trat hier mit klaren, bisweilen fast schneidenden, hohen Tönen auf; raffinierte Sekundkaskaden konnte Fischer nutzen, um zeitweise tiefer in das Orchester hineinzuspielen. Immer wieder spielte die Komposition mit dem Kontrast zwischen einer gegenseitigen Umarmung und einem Abstoßen zwischen Orchester und Solistin.
Im zweiten, langsamen Satz breitete das Orchester ausgedehnte Harmonieflächen aus, die bisweilen überraschende Verläufe zeigten. Julia Fischer bot viel Gefühl bei den vielen einprägsamen, teils eindringlichen Melodien. Viel Leitung von war ihr hier nicht erforderlich; alle Musiker bewegten sich mit blindem Verständnis durch das Werk. Im dritten Satz - Rondo - wechseln die Streicher oft zwischen schnellen Tonfolgen und markanten Abschlägen. Im Gegensatz zu manch anderem Konzert hatte dieser letzte Satz wenig Festliches, sondern war eher auf schnelles Tempo bedacht. Dennoch aber schwebte die Solostimme oft über den unruhig aufwühlenden Streichergebilden, die aber nie bekannte Harmonien verließen. So trug das Orchester die Solistin, um sie im nächsten Moment wieder zu vereinnahmen.
Für die Streicherserenade von Peter Iljitsch Tschaikowsky setzte sich Fischer zum Orchester. Man wusste, die Musiker spielten eines ihrer Paradestücke, und das hatte etwas Magisches. Die ASMF spielte die Serenade so schnell wie wohl kein anderes Orchester. Dadurch wirkte das Werk nicht so breit und schwer, sondern war leichter mit deutlicherer agogischer Dymanik darzubieten; dennoch führten die Musiker es mit einer unglaublichen Präzision aus. Bei solch einer grundlegenden Entscheidung für hohes Tempo gehen eigentlich notwendigerweise Details verloren; nicht bei der ASMF. Keine Phrasierung wurde verschlampt, selbst die Balance der Instrumentengruppen zueinander war ein Genuss. Sowohl Julia Fischer als auch dem Orchester merkte man beim spielen die Freude über diese Energie und Explosivität an. Das war purer Spaß am Musizieren.