An vielen Stellen habe ich mein Faible für die Blockflöte bereits zum Ausdruck gebracht. Dem Instrument, das entweder aufgrund konventionserzwungener Kindheitserfahrungen mit Argwohn behaftet ist oder wegen seines Fehlens im zu scheuklappenhaft betrachteten „klassischen, großen“ Orchester mit ähnlich verstaubter, spröder Ungewohnheit verkannt und belächelt wird. Ob meine Vorliebe dabei einfach der Beschäftigung mit der Blütezeit des Holzblasinstruments, bewusst entwickelter Hör- und Klangpräferenzen oder unbewusstem In-die-Wiege-Legen durch das Spielen und Lehren der Blockflöte durch meine Mutter in Bauch und jüngster Kindheit geschuldet ist, ist lediglich eine Frage im Erforschen der eigenen Person. Grundlage der Stücke, Aufführungen und eventuell embryonalen Aufnahmen waren jedenfalls stets solche für die Besetzung von einer, zwei oder drei Blockflöten.
Gleich derer elf daran praktizierende Musikerinnen und Musiker mit noch viel mehr Renaissanceinstrumentenexemplaren erwarteten mich dazu erst recht erwartungsfreudig im längst überfälligen Besuch eines Konzerts der Royal Wind Music. Als Organisationsensemble der Open Recorder Days Amsterdam, dem Mekka internationaler Cracks und Liebhaber, präsentierte es ein Tonporträt Albrecht Dürers, das der letztjährig verstorbenen Blockflötenbauerin Adriana Breukink gewidmet war. Zu sechs Blöcken mit neun Zeichnungen, Bildnissen, Kupferstichen und Aquarellen des großen Nürnberger Künstlers ordnete das diesmal nicht mitspielende RWM-Mitglied María Martínez Ayerza dafür exquisit reflexionspassende Musik von dreizehn Komponisten der Zeit aus den bedeutenden Verlegerzentren. So Dürers fränkischer Heimat, Venedig, Brüssel, Wien, Jena und Florenz.
Den Auftakt geistiger Who-is-Who-Urhebererzeugnisse, moderiert und geleitet von Hester Groenleer in Co-Direktion Anna Stegmanns, bildeten zur Jungfrau und Kind mit einer Blume auf einer Grasbank Ludwig Senfls und Antoine Brumels Ave rosa sine spinis respektive Mater patris et filia. Dabei vermittelten sich sofort Gedanken bereichernden Segens, liebevollen Umsorgens und annunziativer Innigkeit, indem das immer auswendig und faszinierend exakt vortragende Ensemble in Bespielungsrotation die polyphone Gefügigkeit mit aufeinandereingehender, detailreicher Sensibilität und Cantus-Melodiösität bedachte. Nachdem es bei Dürers Melencolia I über ein Stück Alexander Agricolas und vermutlich Pierre de la Rues in gemixtem Arrangement sowie hohem und tiefem Consort zu Josquin Desprez in strahlend reiner, erhebender, herzengrundig-würdiger, ehrfüchtiger Manier ging, um die weichgezeichnete, „jagende“ Zuversicht in mysteriöser Nachdenklichkeit zu verklanglichen, verdeutlichten die Elternportaits die Vergänglichkeit und schwierigen Realitäten des Lebens, für die die Musik eine Stütze sein kann.