In Köln schwelgte man diesen Sonntag in echter venezianischer Gondelatmosphäre und neapolitanischem Drama. Welcher Teil Italiens hierbei den Vorzug genoss war jedoch erstaunlicherweise nicht auszumachen. Das Venice Baroque Orchestra trug so einiges dazu bei, die Musik der eigenen venezianischen Größen, allen voran Antonio Vivaldi, so durchsichtig und authentisch wie möglich zu gestalten. Aber auch der weniger bekannte Neapolitaner Giovanni Paisiello fand sich auf Augenhöhe mit seinen venezianischen Zeitgenossen Vivaldi, Albinoni und Marcello wieder.
Wie der Solist des Abends, Avi Avital, im Konzert verlauten ließ, sei der Unterschied zwischen Nord- und Süditalien wie Tag und Nacht. Genauso würde sich der Unterschied in der Musik widerspiegeln, die im Süden doch eher dramatischer und emotionsgeladen sei. Vor allem den bisweilen völlig überraschenden und schnellen Emotionswechsel kostete Avital sodann mit vorrückendem Minutenzeiger zusehends aus. Paisiellos Konzert für Mandoline, Streicher und Cembalo wurde zu einem Schaumbad der Gefühle, das nicht nur in der Musik bei plötzlichen und unvorhersehbaren Modulationen hörbar wurde, sondern auch in Avitals Mimik und Gestik gänzlich zum Ausdruck kam. Nicht unerheblich trug Avitals Haarpracht, mal wehend, mal wippend, dazu bei, dass nicht nur ich mir ein Lächeln kaum verkneifen konnte.
Die Mandoline kam in diesem ausschließlich italienischen barocken Programm durchaus zur Geltung, wie der Besucher bei zugegebener anfänglicher Skepsis am Ende doch einräumen musste. Obwohl das Repertoire für dieses viel zu selten gespielte Instrument rar ist, lässt dies auf seinen Wohlklang keine Rückschlüsse zu. Das wie die Geige in Quinten gestimmte Zupfinstrument aus der Familie der Lauteninstrumente hat acht Saiten, wobei vier davon paarweise in Oktaven gestimmt werden, sodass der Klang sich verstärkt und erstaunlich gut trägt.
Mandoline und Orchester schwangen sich innerhalb von Sekunden aufeinander ein, wobei die dynamischen Möglichkeiten der Mandoline Dank des sensiblen und äußerst wachen venezianischen Barockorchesters in voller Bandbreite erklingen konnten. Auch die Bassgruppe mit einem enorm aktiven Cellisten, der von Zeit zu Zeit mit seinem Cello abzuheben drohte, bildete eine absolute Einheit mit dem Solisten; sie begleitete absolut wach und sensibel. Das ermöglichte Avital Rubati und Accelerandi, die sonst nicht mit dem Orchester zu vereinbaren gewesen wären. Dass die Venezianer Sinn für Humor haben, bewiesen sie mit ihrer Entscheidung, Vivaldis Mandolinkonzert vollständig, mit Ausnahme des Cellisten, zu zupfen. Dabei sah man die Anstrengung der gezupften Sechzehntelpassagen den meisten Geigern ins Gesicht geschrieben, obgleich der Schalk im Nacken überwog.