Mit Beethovens Eroica-Variationen eröffnete Grigory Sokolov seinen Klavierabend im Gewandhaus zu Leipzig. Dieser Pianist ist ein so ernster Musiker, dass er dem Humor des Unisono-Beginns, in dem die erste Vorbereitung, das Gerüst der Variationenfolge exponiert wird, wenig Beachtung schenkte. Er trug diese einstimmige Derbheit mit den auftrumpfenden Tonrepetitionen und den nachklappernden Oktavierungen sehr getragen vor. Offenbar ging es ihm darum, zu zeigen, dass alles in dieser in „neuer Manier“ komponierten Variationenfolge auf ein Ziel ausgerichtet ist, um sie zu einer Sonate werden zu lassen. Die Themenmelodie wurde darum von Sokolov zum Hautthema erklärt. Weder dieses Thema noch der anfangs vorgestellte Bass waren im Folgenden immer anwesend, weil Beethoven ganz Neues aus ihnen gewonnen und das Gegebene wirklich verändert und nicht nur variiert hat. Mit großem Ernst gestaltete Sokolov den langsamen Satz vor der Fuge, die er dann als gesteigerte vom bisher Erklungenen gesättigte zweite Vorbereitung spielte, die dann schließlich in der aufblühenden zweiten Geburt der Melodie kulminierte, die Sokolov dann mit aller Kunst seiner Fingerfertigkeit zuerst mit Girlanden umrankte, dann den Bass bilden ließ.
Bei den Drei Intermezzi von Brahms nahm Sokolov deren Untertitel, „Wiegenlieder meiner Schmerzen“, ganz beim Wort. Das erste Stück geriet unter seinen Fingern zu einer Berceuse, die wie aus fernen Zeiten herüberklang. Im mittleren Teil zerbrachen die Elemente in Motivpartikel; in der Reprise ließ Sokolov die Melodie wie als Trostbild über Glockentönen erklingen. Im zweiten Intermezzo wurde die Tastatur durch Pedalgebrauch zu Harfensaiten, auf denen Sokolov die Sequenzen rauschen ließ und die Dissonanzen zu Scheinkonsonanzen verzauberte. Eine Passage von Wienerischer Seligkeit durfte sich nur kurz ausbreiten und kam in der Reprise nicht wieder. Mit einem b-Moll-Dreiklang den Sokolov über die gesamte Tastatur ausbreitete beendete er diesen Traum ohne eine Illusion auf seine Erfüllung. Mit raunendem Ton begann das letzte Intermezzo mit einer für Brahms so charakteristischen Unisono-Melodie in gedämpfter Stimme.