Eine Nacht, ein Traum? Nein. Das Orchestre de Chambre de Paris spielte zwei Werke, die die dunkle Tageshälfte zum Thema hatten. Der erste Teil beschrieb eine nächtliche, gehetzte Jagd, der zweite dann eine romantische Verklärung im Mondschein, die mit der emotionalen Bestätigung eines lyrischen Liebespaares endete. Draußen herrschte kalter, heller Winter, Schnee und Sonnenschein und in der Salle Cortot wurde mit Ainsi la nuit von Henri Dutilleux und Verklärte Nacht von Arnold Schönberg Abschied vom Licht genommen.
In der Salle Cortot, einer Bühne in der École Normale de la Musique, trifft die Musik auf eine harte Inneneinrichtung. Schlichte Holzvertäfelungen, Parkett auf dem Boden, Betonsäulen mit wenig Ornament und altertümliche Holzbänke erinnern an eine kahle, schnörkellose Kirche. Diesen tristen Raum konnten die Kammermusiker – allesamt Mitglieder des Orchestre de chambre de Paris – mit viel Leben füllen. Sosehr die Nacht auch mit dem Tod, Angst und Unheimlichen assoziiert werden kann, wirkte das organische Quartett diesen Stimmungsbildern entgegen. Alle vier Musiker des ersten Stückes von Henri Dutilleux, Ainsi la nuit, wirkten besonders intensiv aufeinander eingestimmt. Keine Unsicherheit äußerte sich in der Mimik. Konzentration und sich austauschende Blicke verliehen der Interpretation einen zutiefst aufeinander abgestimmten Grundton. Auch wenn die Musik den Hörer durch die Nacht jagt, mit Geräuschen aller Art, die von Vogelgezwitscher bis zu schreienden Violinen reichen, bot allein der Anblick von Florain Maviel (Violine), Nicolas Alvarez (Violine), Aurélie Deschamps (Cello) und Livia Stranese (Bratsche) eine Harmonie, die Dutilleux in seinem Werk ausgeklammert hatte.
Die Musik erzählt von Geräuschen, von Dunkelheit, von Angst. Wenig melodiös und tonal, aber sehr eindrucksvoll peitschten sich die vier Musiker durch den ersten Teil des Abends. Dabei streichelte der Bogen nicht die Saiten, sondern versetzte ihnen mehr Hiebe und Stiche. Die einfühlsame Interpretation ließ dabei die Klänge den ganzen Raum ausfüllen. Mit konzentrierter Mine konnte man Florian Maviel, der den Wegbereiter und das leitende Organ im ersten Stück spielte, durch die Dunkelheit folgen. Die anderen Musiker orientierten sich an ihm, konnten sich auf seine Sicherheit verlassen und funkelten durch kleinere Solopartien immer wieder auf. Diese Sicherheit des Spiels bannte alle Zuhörer in eine regungslose Stille, ja fast in eine Angststarre. Mit voller Absicht wurde die aufregende Komposition so interpretiert, dass man sich den im Laufe des Abends entwickelnden Subtilitäten ganz hingeben konnte. Die Prägnanz, mit der das Quartett die Zuschauer dieser musikalischen Hetzpartie aussetzte, mutete fast böswillig an, kann man aber auch als Zeichen dafür lesen, dass alle vier Streicher ihr Handwerk dermaßen gut beherrschten, dass man jeden Ton und jedes Geräusch genau so interpretiert glaubte, wie Dutilleux es gemeint haben könnte. Florian Maviel immerhin bot auch Entspannung an, als er sich im Stuhl zurückgelehnt dem Bearbeiten seiner Saiten hingab.