Die Oper beginnt eine halbe Stunde, ehe der erste Ton von Bartóks grandiosem geheimnisvollem Werk ertönt. Herzog Blaubarts Burg muss vom Publikum gewissermaßen erst erobert werden. In kleinen Gruppen wird es durch einen See geleitet. Man watet im stark abgedunkelten Raum durch das, was in der Oper ein See von Tränen ist, Tränen von Herzog Blaubarts früheren drei Frauen. Der Filmemacher, Maler und Bildhauer Hans Op de Beeck, dem diese Inszenierung anvertraut wurde, ist ein Spezialist für Raumgestaltungen, und er hat Bartóks Libretto genau gelesen und danach den Raum entworfen. Düster ist er, dunkel wie die Burg, die Wände schwarz, nass, das Reich des Herzogs inmitten eines Sees. Dieses Bühnenbild ist die Gestalt gewordene Burg, und es ist eigentlich auch kein Bühnenbild, es ist eine Welt, die von den Protagonisten gleichermaßen besiedelt wird wie vom Publikum, das nach der düsteren Wanderung voyeurhaft das Geschehen zwischen Judith, die für den Herzog ihre Familie und Freunde verlassen hat, und Blaubart, der ihr seine Welt zeigt, verfolgt.
Im Stuttgarter Opernhaus hätte diese Inszenierung nicht stattfinden können, für die Oper war sie aber auch nicht gedacht. Gespielt wurde im ehemaligen Stuttgarter Paketpostamt, das zu dem Zeitpunkt, als Viktor Schoner zum neuen Stuttgarter Opernintendanten ernannt wurde, als Interimsspielort gehandelt wurde, während die Oper mehrere Jahre lang generalsaniert werden sollte. Schoner wollte die Spielstätte auf Zeit gewissermaßen einmal ausprobieren, ein feiner symbolischer Akt für eine Intendanz, in deren Zentrum eine Interim stehen sollte. Inzwischen ist davon nicht mehr die Rede, zu teuer der Umbau für eine Zwischenlösung, die danach abgerissen werden sollte, aber die Inszenierung war bereits geplant. Das Ergebnis ist ein faszinierender Opernabend an einem Alternativspielort. Alles hat hier symbolische Bedeutung. Die Wanderung durch das Wasser kann als Erkundung des Spielorts wie auch der Welt der Oper begriffen werden, es können einem aber auch Assoziationen an einen Gang in die Unterwelt in den Sinn kommen, das Wasser ein Fluss Lethe, über den in der antiken griechischen Sagenwelt die Toten in die Unterwelt gelangen, eine Wanderung auch hinein ins Vergessen, in dem auch Judith gelegentlich watet, die ja mit ihrer Entscheidung, dem geheimnisvollen Herzog zu folgen, ihre bisherige Existenz hinter sich gelassen hat. Freilich ist die etwas flapsige Einführung in das Werk, die die Führer durch die Unterwelt dem Publikum beim Anziehen der wasserfesten Überschuhe präsentiert, dazu eher unpassend.