Fast 150 Jahre mussten vergehen, ehe Heinrich von Herzogenbergs dramatische Kantate Columbus nach ihrer Uraufführung im Grazer Stefaniensaal wieder an ihren Geburtsort zurückkehrte. Auch andernorts blieb das Werk eine Rarität, bezeichnet doch die Herzogenberg-Gesellschaft selbst das Grazer Konzert als „die Erstaufführung der Neuzeit“; Notenmaterial wurde eigens für diesen Anlass rekonstruiert, damit das Publikum mit dem Titelhelden zu unbekannten Ufern aufbrechen und einen Grazer Komponisten erstmals kennenlernen konnte.
Geboren 1843 in Graz und aus einem französischen Adelsgeschlecht stammend, schlug Herzogenberg erst nach einem Studium der Rechtswissenschaften Mitte der 1860er-Jahre den Weg zur Musik ein und konzentrierte sich fortan ausschließlich darauf. In dieser Zeit lernte er auch Johannes Brahms kennen, dessen Stil er sich lebenslang mit Eifer anzunähern versuchte. Immer wieder sandte Herzogenberg auch Werke zur Beurteilung an Brahms, der sich ihm gegenüber jedoch häufig in unverständliche Umschreibungen hüllte. Einen Gutteil des Œuvres Herzogenbergs bilden Kammer-, Kirchen- und Chormusikwerke; der Columbus nimmt als dramatische Kantate somit schon aus diesem Grund eine Sonderstellung ein. Darüber hinaus wird in keinem anderen seiner Werke so deutlich, dass er in jungen Jahren von Wagner und dessen Stil sehr angetan war, so wurde auch dem Columbus nach seiner Uraufführung von der Kritik etwas „neudeutsches“ attestiert.
Wie Wagner schrieb auch Herzogenberg das Libretto selbst und näherte sich dem Columbus-Stoff mit einer Mischung aus Konzert- und Bühnenwerk, das sich aus zwei Teilen und insgesamt zwanzig Szenen zusammensetzt. Dabei umrahmt, ähnlich der klassischen griechischen Tragödie, ein so genannter „idealer Chor“ – bestehend aus Frauen- und Männerstimmen – die eigentliche Handlung und eröffnet so eine von der dramatischen Handlung losgelöste Ebene. Erzählt wird der Versuch des Bootsmannes, einen Aufstand unter den Matrosen anzuzetteln und Columbus zu töten, als die Hoffnung, Land zu entdecken, schwindet. Erst das Erspähen der Küste wird für Columbus zur Rettung, er vergibt den Matrosen und dem Bootsmann und schließlich wird Gott von allen lobgepriesen.
Stilistisch wird die Beschäftigung mit Wagner vor allem durch die Verwendung zweier Leitmotive deutlich, die hier jedoch weniger für Personen oder Gefühle stehen, sondern für zeitlose Gegensätze: Einerseits das Faire, Gütige in aufsteigendem C-Dur, andererseits Boshaftigkeit und Gefahr in sprunghaftem e-Moll. Anders jedoch als Wagner verschleierte Herzogenberg diese meist, sodass sie bei Wiederauftauchen nicht sofort ins Ohr fallen. Und auch sonst wirkte das Werk in seiner Gestaltung auf mich eher wie die Verbindung verschiedener Stile seiner Entstehungszeit, als etwas, das eigenständig in Erinnerung bleibt.
Unter der Leitung des Noch-Chefdirigenten Dirk Kaftan, der leider mit Ende dieser Spielzeit Graz in Richtung Bonn verlassen wird, präsentierte sich das Grazer Philharmonische Orchester bestens aufeinander eingespielt und hochmotiviert. Wie gewohnt energetisch und mit ausladender Gestik peitschte Kaftan im ersten Teil das Orchester auf wie der Wind das Meer und lotete dabei die musikalischen Naturgewalten der Partitur aus. Sehr zügig und kompakt folgten die Musiker in ihrem Spiel und ließen es manchmal doch ein bisschen sehr heroisch krachen. Erst im zweiten Teil gab das Stück mehr Raum für Schichten und Farben, etwa für wärmende Passagen der Solo-Bratsche oder elegische Klangschwaden, bevor es wieder mit Verve ins jubilierende Finale ging.