Béla Bartóks Musik fordert den Zuhörer. Schon in meiner Vorbereitung auf das hier beschriebene Konzert wurde mir das wieder einmal klar; allerdings überraschte mich, wie viel ich von der Musik wieder zurück bekommen sollte.
Mit dem ersten Ton stand sofort die hohe Identifikation der Musiker des Jerusalem Quartetts mit dem Stück im Raum; es ist immer ein besonderer Moment wenn ein Musiker sich von der Musik gleichzeitig fordern und beschenken lässt. Wenn er hin- und hergerissen ist zwischen diesen Polen, sodass er manchmal richtiggehend um einen Mittelweg kämpfen muss. Der temporeiche Beginn des Fünften Quartetts gab gleich einen Ausblick auf das ganze Konzert und zeigte, wie wohl sich die vier israelischen Musiker in schnellen Passagen fühlten. Dann agierten sie mit beeindruckender Körpersprache, um deren expressiven Gehalt zu unterstreichen. Auch nahmen die Musiker durch Blickkontakt starken Bezug zueinander und betonten so das gemeinsame Spiel. Besonders Cellist Kyril Zlotnikov investierte hierbei, um zum einen die Musik intensiv zu durchleben und zum anderen die Bande zu seinen Mitmusikern zu halten. Auf diese Weise genossen Quartett und Publikum die dynamische Intensität, die sich gerade im ersten Satz ergibt.
Der zweite Satz war ruhiger und breiter, wurde aber auch etwas flacher interpretiert. Hier wollten sich die Musiker scheinbar nicht so auf die angebotenen Emotionsperspektiven einlassen und kosteten die erzählenden Harmoniekaskaden im ersten Teil des Satzes kaum aus; neue Interpretationsrichtungen ergaben sich daraus aber auch nicht. Die harmonisch offeneren Passagen im Verlauf des Satzes wurden wieder konsequenter gespielt und bearbeitet, und abermals wurde deutlich: diese Musiker mögen es, die Fragen selbst zu stellen, anstatt nur die fertigen Antworten des Komponisten vorzuführen.
Diese Aspekte nahmen sie mit in den dritten Satz und arbeiteten dort mit Liebe zum Detail und zur Musik an sich. Das Scherzo bietet viele Möglichkeiten, Kleinteiliges mit hellwacher Akkuratesse zu formen. Häufige Blickkontakte unterstrichen wieder die gemeinsame Konzentration und das Erleben des Gegenübers; so verloren sich alle vier in ihren individuellen Gestaltungsarbeiten, um dann im nächsten Moment wilde Melodienregen und zuckende Rhythmusgebilde kraftvoll gemeinsam zu gestalten. Diese traumwandlerische Sicherheit in den Konzentrationswechseln ließ im vierten Satz etwas nach; jeder wollte hier seine Geschichte erzählen, was manchmal zu Lasten der Synchronität ging. Dennoch wirkte sich die dahinter stehende Anstrengung gewinnbringend für mich als Zuhörer aus und ich konnte die Sinnfragen so selbst miterleben. Auffällig blieb aber auch hier der Unwillen, gefälligere Harmonien breiter auszuspielen. Der fünfte Satz war wieder wie gemacht für das Jerusalem Quartett, und die Musiker flotten mit atemberaubender Technik äußerst unterhaltsam durch den temporeichen Abschnitt.