Wie letztes Jahr eröffneten das Ensemble Correspondances und sein Leiter Sébastien Daucé das Originalklang-Festival der Kölner Philharmonie, FEL!X, für das sie diesmal ihre vor zwei Jahren aufgenommene und nach dem 2022er-Auftritt erschienene Interpretation von Matthew Lockes Semi-Opera Psyche mitgebracht haben. Enthält das Werk von Hause aus schon pasticciogeartete Tänze Giovanni Battista Draghis, reicherte es Daucé alternativ zu Philip Picketts und Peter Holmans Version – wie bei seinen Rekonstruktionen geschichtsträchtiger barocker heißer Eisen üblich – zusätzlich mit weiteren Auszügen an. So Lockes Eigenkompositionen, zum Beispiel aus seinem berühmtesten The Tempest (für die er allerdings nur die Instrumentalmusik schrieb, mit Psyche als English Opera 1675 veröffentlicht), The Rare Theatrical, Consorts of Four Parts, und eben selbst Lullys Plainte italienne aus dessen Tragédie lyrique Psyché, auf der alles beruht.
Schließlich fand nach Lullys Vorläufer 1671, die eine Gemeinschaftsproduktion Molières, Quinaults und Pierre Corneilles war, ein reger Austausch zwischen Frankreichs Musik- und Tanzwelt sowie dessen Oper verfallenem König Charles II. statt. Dieser hatte ja die Zeit des Interregnums in Paris verbracht. So erklärt sich bei aller individuellen Eigenheit aufgekommener englischer Opernform aus Schauspiel, Dichtung, Instrumentalem und gesanglichem Dialog der starke französische Stil. Erwartete Kritik daran, die allerdings nicht zu vernehmen war, als Librettist Thomas Shadwell und die Theaterdirektoren Shakespeares The Tempest in überarbeiteter Fassung zum finanziell größten Erfolg der Gattung führten, begegnete Locke im Vorwort zu Psyche: „Da ich darum erwarte, von irgendwelchen Komponisten mit weichem Hirn oder hartem Herzen die Knute zu bekommen [...], strebe ich hier an, einige jener Steine aus dem Wege zu räumen, über die sie unter Umständen stolpern könnten.“
Stolpern muss man dabei ausgerechnet über die Handlung Shadwells, die damals tatsächlich Anstoß bot und Grund für den Flopp werden sollte. Zwar orientiert sie sich kopieauftragsgemäß am Metamorphosenhit Cupido und Psyche, doch verwurschtelt ihn Shadwell – sogar mit streng genommen weniger Personal als bei Lully – noch derart abenteuerlich als ohnehin mit den eigentlich fünfundzwanzig Göttergesellen, mythologischen Gestalten und antiken Figuren, dass man bei dem Versuch einer Inhaltsangabe bis heute resigniert auf eine solche verzichtet. Ähnlich wie bei Purcells King Arthur, vor dessen Aufführung Dirigent Paul McCreesh riet, diese wegen der Verworrenheit einfach mal gar nicht erst komplett nachvollziehen zu wollen, konzentriere auch ich mich auf die musikalische Sache und Umsetzung.
Zumal der editorische Zusammenschnitt Daucés, der auch durch die Einwebung Lullys Plainte einen Schwerpunkt auf den zweiten Akt und dessen Todesfatalität legte, die Handlung durch die überwiegende Anzahl der instrumentalen Nummern aus Symphonies, Dances, Entries und Musickes sowieso zu einer rudimentären Auseinandersetzung zwischen den Olympresidenten respektive Pluto im Umgang mit Psyche auf Eifersuchtsgeheiß der Venus zerklüftete. So sehr also die Welt von Sterblichen und Unsterblichen als Entschlackung gedacht verschwimmen sollte, so unterhaltend und füllig war das außergewöhnliche Spiel des Ensemble Correspondances. Zwar statt in original englischer in späterer französischer Besetzung mit Violone, vollem Posaunenconsort inklusive Cornetto-Diskant, dem aus Daucés Ballettnacht für Ludwig XIV. wiederverewendeten Schlaf-und-Trauminstrument, Harfe sowie Sylvain Fabres riesigem Klangmalspektrum aus kleiner Militär- und großer Basstrommel, Windpfeife und -Maschine, Tambourin, Schellenband, Kastagnetten, Ratsche und peitschender Brettchenklapper neben dem Standardorchester aus Streichern, Blockflöten, Oboen, Fagott, Cembalo, Orgel und Erzlaute. Doch mit einer stilistisch treffsicheren und faszinierenden Passion folkloristischer Royalität, die irdische wie überirdische Regungen in sich vereinte.