Die Meistersinger von Nürnberg – Richard Wagners einzige komische Oper – kann man verschiedenartig inszenieren und interpretieren, was bereits die reichhaltige Rezeptionsgeschichte der Oper in Deutschland gezeigt hat. Während sich einige Regisseur*innen ganz auf die Dreiecksbeziehung und Liebesgeschichte konzentrieren, arbeiten andere die politische Brisanz auf – sei es im Kontext des Zweiten Weltkriegs oder der Geschichte Nachkriegsdeutschlands – die Meistersinger liefern eine immens große Fläche für Interpretation. Dass es leider auch Produktionen gibt, die der Rezeptionsgeschichte der Oper nichts hinzuzufügen haben, hat man an der Oper Leipzig erleben dürfen. Hier präsentiert Regisseur David Pountney eine völlig sinnfreie und ästhetisch abschreckende Sicht auf die Meistersinger und zeichnet dabei einen äußerst oberflächlichen wie unreflektierten Blick auf die deutsche Geschichte.
„Ist das die Art und Weise, mit der die Briten auf die Geschichte Deutschlands blicken?”, fragt man sich, als sich so langsam das Konzept Pountneys Inszenierung erschließt. Der britische Regisseur teilt den drei Akten wichtige historische Schlüsselmomente zu – beginnend mit dem mittelalterlichen, florierenden Nürnberg, gefolgt vom düsteren Kapitel des Dritten Reichs, in dem die Prügelfuge mit dem Zweiten Weltkrieg gleichgesetzt wird; und letztlich der Wiederaufbau des zerstörten Landes. Hinweise darauf gibt nur das Bühnenbild, welches trotz fragwürdiger Ästhetik elaboriert und detailreich ausgeführt wurde, jedoch nicht über die seichte Erzählweise und mangelnde Personenregie hinwegtäuschen kann. Die Sänger*innen bewegen sich in einen Nürnberger Miniaturwunderland, bestehend aus hölzernen, hüfthohen Bauten, bei denen von den Kirchen, Dürer-Haus bis zur Kaiserburg alles vertreten ist. Unter Bühnenbildner Leslie Travers entstand ein Modell des mittelalterlichen Nürnbergs mit viel Liebe zum Detail; leider verkommt seine fantasievolle Szenografie zur bloßen Dekoration, aus der mal links, mal rechts oder inmitten gesungen wird. Diese wird eingerahmt von einem Amphitheater, bei dem recht schnell klar wird, wer redet und wer zuzuhören hat – doch was ausgesagt werden soll, steht weiterhin in Frage.
Diese Übersimplifizierungen und mangelnd überzeugende visuelle Darstellungen ziehen sich durch die gesamte Inszenierung und lassen an der Erfahrung des Regisseurs zweifeln, der u.a. in Wien, Bregenz und München Regie geführt hat. Seine Inszenierung wirkt schlecht kopiert mit Regieansätzen, die man auf anderen Bühnen bereits besser ausgeführt gesehen hat. Immerhin gehen Regie und Bühne Hand in Hand mit den Kostümen, deren Ästhetik ebenso fragwürdig, geradezu abschreckend daherkommt. Diese changiert zwischen einem dekadenten Verbrauch bunter Samtstoffe bis hin zu weißen Polyesterfummeln für die „Fürther Mädel“. Besonders auf deutschen Bühnen, auch in Hinblick auf aktuelle politische Entwicklungen, sollte eine differenzierte und weitreichende Auseinandersetzung mit den Meistersingern Voraussetzung sein. Es ist schade, dass die Geschichte Deutschlands in Pountneys Augen vor 30 Jahren ihren Abschluss fand; was derzeit in Politik und Gesellschaft besonders in Sachsen passieren, findet bei ihm keine Beachtung. Im Falle Pountney, der sich für eine oberflächliche politische Auseinandersetzung mit dem Werk entschieden hat, wird es zur verpassten Chance. Selbst der humoristische Ansatz bleibt auf der Strecke, wenn gelacht wird, dann nur über Wagners Libretto. Gelegentlich versucht sich Pountney zwar mit Slapstick, aber auch das wirkt äußerst bemüht. Und selbst Prügelfuge oder Aufzug zur Festwiese – bekanntermaßen sind diese Massenszenen eine Goldgrube für jede Regie – geriet mit banalen, stereotypen und hölzernen Tanzeinlagen des Chors zur Farce.