Der Mythos Don Juan, der Archetyp des Frauenhelden, der an seiner Unersättlichkeit, seiner Maßlosigkeit und seinem Egoismus zugrunde geht, wurde seit Jahrhunderten immer wieder zum Sujet zahlreicher literarischer Werke, musikalischer Bearbeitungen und Verfilmungen. Alessandro Melani (1639-1703) war der erste Komponist, der zusammen mit den Librettisten Giovanni Filippo Appolloni und Filippo Acciaiuoli eine Opernfassung schuf – sozusagen „il primo Don Giovanni in musica”! 1669 wurde L’empio punito im römischen Palazzo Colonna uraufgeführt. Um dem päpstlichen Rom zu gefallen und einer Zensur oder gar dem Verbot der Oper zu entgehen, wurde die Handlung ins ferne Mazedonien – eine Art dystopisches Arkadien – verlegt und die Namen aller Personen geändert. Der/die geübte Don Giovanni-HörerIn muss sich so beispielsweise an Acrimante statt Don Giovanni und an Bibi statt Leporello gewöhnen. Auch die weiblichen Rollen und Il Commendatore tragen andere Namen und stehen in leicht veränderter Figurenkonstellation.
Auch an die Handlung muss man sich erst gewöhnen, da diese zugegebenermaßen komplex und verworren ist. Diese Problematik wird von der Regisseurin Silvia Paoli bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik auf verspielte Weise durch drei Cupidi gelöst. Die drei Sänger mit Engelsflügeln lassen die Figuren mal wie Marionetten an Stricken agieren, binden diese fest, ziehen sie fort oder hin zu anderen Figuren. Auch die Besetzung der Charaktere hat es in sich. Frauen spielen Männer, die Frauen verführen; Männer spielen Frauen, die Männer verführen – geradezu pansexuell suchen sich die Figuren ihre Partner fernab festgesetzter Vorlieben aus. So wird ein Spinnennetz aus Liebeleien gesponnen bei dem ein leichtfüßiges, unterhaltsames Verwirrspiel entsteht. Als weitere Überraschung ist Don Juan kein viriler Erotomane, sondern wird von einer Frau gespielt. Von der Kastraten-Tradition der italienischen Barockoper inspiriert, wählte man eine Mezzosopranistin für die Titelrolle aus. In Andrea Bellis minimalistischen, mit einfachen Mitteln auskommenden Bühnenbild, werden Requisiten gezielt und wirkungsvoll eingesetzt und rasante Szenenwechsel vollzogen.
Der barocke Titelheld Acrimante, der nicht nur seinen unheilbaren Donjuanismus, sondern auch damals gängige Vanitas-Gedanken des 17. Jahrhunderts vereint, unterscheidet sich jedoch deutlich von Mozarts Don Giovanni. Melanis Oper wechselt spielerisch zwischen Tragödie und Komödie. Sein sittenloser Libertin ist weniger ein diabolischer Charakter als vielmehr eine Figur einer Commedia dell’Arte-Truppe. Wie ein Casanova scheint das Leben ein Spiel zu sein und jede neu anvisierte Dame wird mit spielerischem Eifer erobert. Diese Verspieltheit spiegelt sich auch in den Kostümen wider. Während das Bühnenbild minimalistisch bleibt, schwanken die Kostüme zwischen kitschigem Rokoko, Tiroler Folklore und neogrellem 80er-Jahre-Glamour.