Wenn das Münchener Kammerorchester zum Konzert bittet, dann sind stets höchster Kunstgenuss und mitreißende Musizierfreude garantiert. So auch am 2. Juli im Prinzregententheater, bei dem das traditionsreiche Münchner Ensemble noch im Rahmen des Zyklus „Kindheit“ ein gewohnt abwechslungsreiches und vielbejubeltes Programm unter der Leitung des Konzertmeisters Daniel Giglberger und im zweiten Teil gemeinsam mit der Geigerin Isabelle Faust bot.
Zu Anfang stand die Ouvertüre zum Trauerspiel Coriolan (1807) von Ludwig van Beethoven. Schon mit den einleitenden wuchtigen Akkorden, bei denen das Orchester wie ein einziges Instrument klingen muss, ließen die Musiker keinen Zweifel daran, dass sie auch an diesem Abend wieder sorgfältig einstudierte und wohl austarierte Interpretationen alter und neuer Meisterwerke darbieten würden.
Coriolan erzählt die tragische Geschichte des aufständischen römischen Feldherrn Coriolan, den seine Mutter nach langem Drängen überredet, sich nicht gegen das eigene Volk aufzulehnen, was ihm zum Verhängnis wird. Der Mutter-Sohn-Konflikt wird von Beethoven in der Ouvertüre meisterhaft verarbeitet. Das hochtrabende und stolze Anfangsthema weicht schon bald einem lyrischen Seitenthema, durch welches das flehende Einwirken der Mutter auf ihren Sohn und sein Einlenken repräsentiert wird. Das Orchester spielte die Ouvertüre mit großer Leidenschaft und auch gelegentliche Intonationsschwächen in der Cellogruppe vermochten nicht den Gesamteindruck zu schmälern. Mit viel Verve und präzisen Einwürfen ergänzte die Bläsergruppe – teils auf Naturinstrumenten – das harmonische Gesamtbild. Zuletzt hing Coriolans Leben am seidenen Faden, oder – musikalisch – an einer Saite. Beethoven lässt die Ouvertüre klangmalerisch raffiniert mit dem denkbar reduziertesten Streicherklang enden, drei Pizzicato-Vierteln im Pianissimo.
Wie spielerisch fröhlich Pizzicato auch klingen kann, lehrte uns danach Benjamin Britten in seiner Simple Symphony Op.4. Nach einer schmissigen Eröffnungs-Bourrée folgt nämlich eine lustig-luftige Pizzicato-Einlage, die das Orchester auch ohne Dirigenten beeindruckend synchron und dynamisch abgestimmt wiedergab, sehr zur hörbaren Erheiterung des Publikums. Die Sentimental Sarabande war einer der musikalischen Höhepunkte des Abends. Dem Münchener Kammerorchester gelang das Kunststück, den herrlichen Kantilenen jene fein-sentimentale Süße zu verleihen, die der pastellenen Traurigkeit eines Kindes innewohnt.
Das dritte Stück des Abends war die Uraufführung des Auftragswerks Hirta Rounds des 1976 geborenen irischen Komponisten David Fennessy. Der Titel bezieht sich auf die Hauptinsel Hirta der atlantischen Inselgruppe St. Kilda nordwestlich von Schottland. Fennessy verarbeitet mit seiner atmosphärischen Komposition den geisterhaften Eindruck, den diese menschenverlassene Insel auf ihn gemacht hat. Nachdem 1930 die letzten verbliebenen Bewohner die Insel verlassen hatten, wurde sie danach lediglich vom britischen Militär genutzt und nur noch die Häuserruinen zeugen von den Spuren der menschlichen Gemeinschaft der Vergangenheit.