Wenn einem sowohl die Violetta als auch der Alfredo wegen Krankheit kurzfristig absagen müssen, kann die Traviata durchaus zum Desaster werden, vor allem, wenn man so große Namen wie Sonya Yoncheva und Rolando Villazon ersetzen muss. Die Bayerische Staatsoper allerdings wendete die Situation genau ins Gegenteil und bot mit Ermonela Jaho eine fulminante Violetta, die das Highlight einer eher schwachen Inszenierung war.
Dieser Eindruck rührt vor allem daher, dass die Bühne der Bayerischen Staatsoper überwiegend in schwarz gehalten war und nur gelegentlich von Farbtupfern im ersten beziehungsweise zweiten Akt erhellt wurde. Die Inszenierung schien sich nicht wirklich auf die Geschehnisse in Violettas Seelenwelt einzulassen und der Zuschauer musste sich über kleinste Ereignisse freuen, beispielsweise, dass der Kronleuchter, der im zweiten Akt noch über den Sängern thronte, im dritten Akt auf dem Bühnenboden lag wie die im Sterben liegende Violetta. Wenig ergiebiger waren die Interaktionen der Sänger, die in Günter Krämers Version nicht viel Bewegung bringen konnten. So hob Simon Keenlyside als Giorgio im zweiten Akt drei Mal seinen Mantel auf, um ihn doch wieder hinzulegen, während er Violetta schonend versuchte beizubringen, dass sie sich von Alfredo trennen müsse. Kontrastierend zum nüchternen Bühnenbild zeigten sich die Kostüme, die La traviata mit einer Hommage an die Roaring Twenties in eine goldene Gatsby-Show verwandelten – besonders im champagnerhaltigen ersten Akt.
Das Positive an der schlichten Inszenierung war sicherlich die Tatsache, dass man eine pure Violetta geboten bekam, die sich nicht hinter großem Bühnenbild verstecken konnte und wirkliche Emotionen bieten musste. Und dies gelang Jaho mit unglaublicher Leichtigkeit und einer unendlichen Bandbreite an Gefühl. Da stand auf der einen Seite die zerbrechliche, kränkliche Frau, die Jaho mit sehr feinen piano-Tönen über die wahre Liebe singen ließ, und auf der anderen Seite die eigenständige, starke Persönlichkeit, die trotz ihrer Krankheit bis zum Ende kämpfen wollte. Mit vollmundigem Timbre, das kraftvoll bis in ihre Spitzentöne war, bot Jaho eine großartige Violetta, die zurecht Begeisterungsstürme des Publikums erntete.