Den Puls des Nordens. Nicht weniger versprach die Baltic Sea Philharmonic mit ihrem Programm, dass das multinationale Orchester im Gepäck seiner Europatournee hatte. Nicht nur ein, gleich zwei Jubiläen bildeten dabei das Herz des Programms, das das Orchester im Herkulessaal der Münchner Residenz zur Aufführung brachte. Unter der Leitung von Chefdirigent Kristjan Järvi feierte das Orchester nicht nur das eigene zehnjährige Bestehen, sondern auch die Unabhängigkeit der baltischen Staaten vor 100 Jahren. Selbstverständlich, dass sich daher das Programm ausschließlich aus Komponisten der Region zusammenstellte. Järvi blieb sich treu und scheute sich nicht eine ganze Menge Zeitgenössisches aufs Programm zu setzen, um das vielfältige Repertoire, das der baltische Raum zu bieten hat, auch im Rest Europas bekannter zu machen.
Der Pole Wojciech Kilar widmet sich mit seinem Werk Orawa der Volksmusik der Karpaten, überträgt die pulsierenden Tänze auf den dichten Klang eines Streichorchesters und gießt sie in repetierende, sich stetig steigernde Motive, während sein litauischer Kollege Gediminas Gelgotas das archaische Gegenstück liefert. Seine naturhafte Komposition Mountains. Waters. (Freedom) erkundet die dunklen Farben des Orchesters, bleibt aber auch den Gesetzen des Minimalismus treu. Järvi dirigierte dabei ohne Taktstock und mit vollem Körpereinsatz. Mal tänzelte er, mal fuhr die Faust energisch zu den einsetzenden Instrumentengruppen. Den Puls des Programms gab er vor, jedoch spürte man die Lust des Orchesters die Impulse der Musik mitzugestalten. Das Zusammenspiel der jungen Musiker mit ihrem charismatischen Chefdirigenten ergänzte sich perfekt.
Arvo Pärts Fratres konnte im Programm schon fast als Klassiker gelten, den Violinistin Mari Samuelsen dramatisch intensiv interpretierte. Die Norwegerin spielte reduziert nüchtern und vollkommen der Musik verpflichtet. Die anschließende Eigenkomposition von Järvi, Aurora, war für Samuelsen mehr Pflichtübung als Herausforderung, da dieser musikalische Sonnenaufgang kaum Raum für seine Solistin lässt, deren Part so sehr in den Orchesterapparat eingearbeitet ist, dass man sich bei der Frage ertappt, ob das Werk nicht auch ohne Solistin auskommen würde.