Wer wie so viele eine katholische Erziehung genossen hat, weiß, dass die Beziehung eines Pfarrers zu seiner Haushälterin eine ganz besondere ist. Ein meist über viele Jahre währender Bund. Für sie ist es kein Job wie jeder andere, sondern eine Berufung, die mit Hingabe und Leidenschaft erfüllt wird. Was sich fernab der Gottesdienste und der Augen der Gemeindemitglieder abspielt, darüber mutmaßt Regisseurin Katharina Thoma an der Oper Frankfurt. Sie lässt den Pergolesi-Doppelabend und das sogenannte Opernintermezzo La serva padrona (Die Magd als Herrin) mit einer rosenkavalier-esken, postkoitalen Szene im Bett des Pfarrers beginnen, aus dem er und seine Magd stolpern.
Dass ein geistlicher Würdenträger nicht zölibatär lebt, mag uns heutzutage fremd erscheinen, doch hat sich der Zölibat, wie wir ihn heute kennen, erst im frühen 20. Jahrhundert durchgesetzt. Bis dahin, beispielsweise während der Renaissance, war es durchaus üblich, dass Priester, aber auch Bischöfe und der hohe Klerus, gar mit Konkubinen zusammenlebten. Auch bei Päpsten war dies verbreitet. Gleichzeitig lehnten die Strömungen der Reformation die Ehelosigkeit als christliche Lebensform ab, um sich von der römisch-katholischen Kirche und deren erstarkenden Wunsch nach einem enthaltsamen Leben, abzugrenzen.
All dies spinnt Thoma der Geschichte um die Dienerin Serpina, die ihren Herren Uberto, einen alten Junggesellen, zur Heirat überlistet, hinzu, um den Bogen zum zweiten Teil des Abends zu spannen: Giovanni Battista Pergolesis wohl bekanntestes Sakralwerk Stabat Mater. Dieser so geschaffene Diptychon stellt bewusst den Bezug zur katholischen Kirche her.
So findet bei dem Kammerspiel im ersten Teil das Geschehen in einen mit allerlei kirchlichen Tand dekorierten, geschlossenen Raum statt – im schlichten Kämmerlein hängt ein Weihwasserbecken, ein Kreuz und der Triptychon eines mittelalterlichen Meisters. Im zweiten Teil öffnet sich das enge Zimmer zu einem großen, offenen Kirchenraum. Die Kirche wird zum Ort der Einkehr, der Stille und Reflexion, in dem neben den beiden Sängerinnen immer wieder Zufluchtsuchende hereintreten. Sei es eine Prostituierte, eine Obdachlose oder ein Asylsuchender, die sich bewusst in den Schutz der Kirche begeben.
Trotz dieser nicht uninteressanten und eleganten thematischen Verbindung, vermögen es beide Werke jedoch nicht, mehr als nur an der interpretatorischen Oberfläche zu kratzen – egal ob Komik in La serva padrona oder Tragik bei Stabat Mater – beides erzielt keine nachhaltige Wirkung. Die Symbolik ist allzu leicht verstanden und langweilt schnell. Besonders im Stabat Mater offenbart sich die mangelnde Dramatik des Werkes, welches nun mal keine Oper, sondern eben nur Kirchenmusik ist.