Es ist eine große Tradition, in die sich ein Interpret von Schubert-Liedern einreihen muss. Große, bedeutende Sängerinnen und Sänger sind damit legendär geworden, manche auch gescheitert. Dass der Countertenor Philippe Jaroussky sich dieser Herausforderung stellt, nötigt Respekt ab. Seit über 20 Jahren ist Jaroussky einer der hellsten Sterne am Himmel der Barockmusik und begeistert mit sympathischem, unprätentiösem Auftreten, seiner immer wieder als engelsgleich beschriebenen, hell timbrierten Stimme und einer ausgeprägten Stilsicherheit eine ungezählte Fangemeinde. Mit Bedacht ist er dabei, die Grenzen seines Repertoires zu erweitern. Nach Ausflügen in die französische Belle Époque wagt er sich nun an das romantische deutsche Lied. Schubert liebt er erklärtermaßen und Schubert singt er nun auf einer weltweiten Tournee.
Würde er mit seiner Auswahl von zwanzig Schubert-Liedern überzeugen können? Die Antwort ist: nur bedingt. Im Baden-Badener Festspielhaus war schon einmal der sehr große Saal ein Hindernis, dass Jarousskys zarte Stimme sich raumfüllend entfalten konnte. Auch wenn das hochkonzentrierte Publikum dem Sänger jeden Ton förmlich von den Lippen ablauschte, wirkte der Stimmklang in manchen Liedern zu dünn, zu zerbrechlich. Was Schubert in seine Schiller-Vertonung der Gruppe aus dem Tartarus den in die Unterwelt verdammten Seelen an Verzweiflung und bangem Hoffen auf Erlösung aus den endlos erscheinenden Qualen einkomponiert hat, konnte wohl Jérôme Ducros in den dramatischen Modulationen der Klavierbegleitung eindrücklich verdeutlichen, Jaroussky aber hatte dem nicht viel an expressivem Nachdruck hinzuzufügen.
Auch wo einige Lieder den Ausdruck von Hochgefühl oder feierlichem Ernst fordern, blieb Jarousskys Stimme zu klein wie in dem Lied Die Götter Griechenlands mit Schuberts zugegeben etwas pathetisch formulierter, typisch romantischer Vortragsbezeichnung „mit heiliger Sehnsucht”. Aber etwas von der Größe dieses Gefühls sollte doch in der Stimme des Sängers liegen. Auch in Nacht und Träume werden ähnliche Emotionen ausgedrückt, deren geheimnisvolle Macht Jaroussky weniger durch Klangvolumen, dafür aber durch ein bezwingendes Piano versinnbildlichte.