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Saisoneröffnung der Berliner Philharmoniker mit Kirill Petrenko

Von , 01 September 2025

Nach den Worten Kirill Petrenkos erzählt Musik etwas, dahinter steht auch ein Drama, auch in der absoluten Musik. Doch gerade im Hinblick auf Johannes Brahms' Erste Symphonie – gemeinsam mit Robert Schumanns Manfred-Ouvertüre und Bernd Alois Zimmermanns Oboenkonzert am Programm der Saisoneröffnung der Berliner Philharmoniker – scheiden die Geister einander bis heute.

Kirill Petrenko dirigiert die Berliner Philharmoniker
© Lena Laine

Für Schumanns Manfred-Ouvertüre wählte Petrenko den dunklen Klang, um die einzelnen Stimmen miteinander zu vermischen, was der durchweg mehrdeutig komponierten Partitur gut tat. Das sich manches noch nicht ganz stimmig ineinander fügte, verwunderte nicht, denn das geschieht nicht selten bei Konzerten zur Saisoneröffnung. Dennoch gelang es Petrenko und dem Orchester, Manfred mit seinem Thema hastig in den Saal zu treten und ihn regelrecht gegen die Periodenstruktur anrennen zu lassen. Von den Stauungen der Syntax wurde er in Fortspinnungen getrieben, noch bevor das Thema fest gesetzt war. Am Schluss standen Erlösung und Trauermusik im Zwielicht; beide Themen bildeten einen Kontrapunkt, näherten einander zwar an, blieben aber, indem sie auf die beiden Instrumentengruppen Bläser und Streicher verteilt wurden, doch getrennt voneinander.

Albrecht Mayer trat für den Solopart von Bernd Alois Zimmermanns Oboenkonzert auf das Podium. Er spielte den mit Raffinessen und Pointen gespickten Part mit einer solchen Präzision, dass eine ironische Maskerade voller neobarocker Spielfiguren zu Gehör kam, die er trotz aller trockenen Härten fast geschmeidig klingen ließ. Zum Höllenritt wurde die Aufführung erst in der halsbrecherischen Kadenz am Ende des letzten Satzes. Das Publikum schätzte diese Musik – und stellte wohl unausgesprochen die Frage, warum derlei Schätze ihm nicht häufiger serviert werden.

Albrecht Mayer bei der Zugabe
© Lena Laine

Petrenko hatte in der Pressekonferenz, die zur neuen Spielzeit gegeben wurde, erläutert, dass er immer versuche, alte Aufnahmen von einem Werk zu studieren. Es gibt Einspielungen von Brahms' Ersten von Furtwängler, Karajan und Abbado, die Maßstäbe gesetzt haben. Und so wie sich Brahms – vor allen während der Arbeit am Finale – an Beethoven abgearbeitet hat, so stellte sich Petrenko diesen Vorgängern. Er wählte aber weder die dämonisierte Interpretation Furtwänglers, noch die scharf-kantige Karajans noch die bei aller Wucht zweifelnde Abbados, sondern eine betont reflektierte. Schlüssig gelang es ihm, das neue Thema in der Durchführung des ersten Satzes als das kantable Thema erklingen zu lassen, das in der Exposition noch fehlte.

Die mittleren Sätze nahm er als Intermezzi, ohne sie dadurch zu verharmlosen. Die Binnenintroduktion vor dem Finale legte Petrenko regelrecht unter das Seziermesser der Analyse. Die chaotischste Musik, die Brahms nach Gülke je komponiert hat, klang derart artikuliert und so überdeutlich, dass sie nicht verwirrte, sondern im Blick zurück auf die drei Sätze den Weg frei für das gab, was nun kommen sollte. Yun Zen gab der Alphornweise erhabenen Ton. Wirklich ganz groß – und für mich so noch nicht gehört - ließ Petrenko den Choral als Fata morgana klingen, getragen von den deutlich im Kontrafagott gesetzten Fundamenten. Dieses Thema ist längst vergessen, wenn es nach der Auflösung aller übrigen motivischen Gestalten am Ende sich zum eigentlichen Thema durchsetzte und nun im Orchester strahlte. Zu Recht erreichte die Aufführung hier ihren Höhepunkt.

****1
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Rezensierte Veranstaltung: Philharmonie: Großer Saal, Berlin, am 29 August 2025
Schumann, Manfred-Ouvertüre, Op.115
Zimmermann, Concerto for Oboe and small orchestra
Brahms, Symphonie Nr. 1 in c-Moll, Op.68
Berliner Philharmoniker
Kirill Petrenko, Musikalische Leitung
Albrecht Mayer, Oboe
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