Jede Medaille hat zwei Seiten: So ist es einerseits natürlich ein herber Verlust für die Opernbühnen dieser Welt, dass Elisabeth Kulman ihnen den Rücken gekehrt hat, andererseits wäre La femme, c’est moi – das neue Soloprogramm der österreichischen Mezzosopranistin – vielleicht nicht entstanden, hätte sie sich nicht auf gänzlich neue Pfade begeben.
Als unerwartet, überraschend und grandios stellte sich der Abend in der Grazer Seifenfabrik schließlich heraus, der sich getreu dem diesjährigen Styriarte-Motto „Viva la libertà“ die Freiheit nahm, einen Bogen von Georges Bizet über Cole Porter und Andrew Lloyd Webber bis hin zu Richard Wagner zu spannen. Dass dieses Vorhaben nicht nur einfach gelang, sondern zu fulminanten musikalischen Momenten führte, dafür sorgten neben der Solistin auch die außergewöhnlichen Arrangements von Tscho Theissing.
So reihte sich nicht bloß Arie an Arie und Song an Song, die einzelnen Stücke wurden untrennbar verwoben. Theissing verknüpfte beispielsweise George Bizets Habanera mit dem von Dean Martin berühmt gemachten Lied That’s amore, oder garnierte Cole Porters Miss Otis regrets mit Strauss’ Salome und Prinzessin Eboli aus Verdis Oper Don Carlo. An anderer Stelle verschmolzen gar Fricka, Erda und Brünnhilde zur Wagnerheldin in Personalunion. Dabei kam aber nicht einmal das Gefühl auf, dass diese Arrangements allein mit gutem Willen funktionieren, sondern man stellte sich eher die Frage, wie die einzelnen Stücke denn eigentlich vorher getrennt existieren konnten, wo sie doch so gut zueinander passen.
Aber nicht nur gewagte Neukombinationen, sondern auch ganz klassisch Gehaltenes, etwa Dalilas Arie „Mon coeur s’ouvre à ta voix“, erschienen so in neuem Licht und strahlenden Farben. Neben Theissings Bearbeitungen war es nämlich auch deren hervorragende Umsetzung durch die Band, die die musikalische Reise zu einem Erlebnis werden ließ. Mit Bass, Cello, Violine, Klavier, Akkordeon, Klarinette und Saxophon sorgten die Musiker trotz kleiner Besetzung gleichermaßen für große Oper wie jazzig swingende Elemente und boten damit einen idealen Rahmen für Elisabeth Kulman, die an diesem Abend künstlerische Freiheit in Reinkultur zelebrierte.