Eine vier Jahre alte Opernproduktion, bei der noch immer jede Vorstellung ausverkauft ist und um deren wenige Restkarten sich an der Abendkasse wie zur Premiere lange Schlangen bilden, wird schon allein durch diesen Umstand zum Geniestreich. Zumal, wenn solch ein Erfolg im Musiktheater sonst eigentlich nur der Gattung Musical beschert ist, und umso mehr, wenn man sich das bunt durchmischte, auch hoffnungsvoll mit jungen Gesichtern bestückte Opernpublikum des Abends anschaut, um das sich viele andere Theatersäle vergeblich bemühen.
An der Komischen Oper, Berlin ist dem Intendanten Barrie Kosky in Zusammenarbeit mit dem englischen Künstlerduo 1927 (Suzanne Andrade und Paul Barritt) in einer verblüffenden Inszenierung ein wahrer coup de théâtre geglückt – passenderweise mit Mozarts Zauberflöte, einer der beliebtesten und am häufigsten gegebenen Opern überhaupt, die allein in Berlin derzeit auf allen drei Opernbühnen zu erleben ist. Kurz, um hier noch einmal etwas neu oder wenigstens anders darzustellen, braucht es eine Menge Phantasie, und die bewiesen die Regisseure allemal.
Bühnenbild? Gibt es nicht. Stattdessen setzen Kosky und Co. die im Stil der 20er aufgemachten Sänger (Kostüme: Esther Bialas) wie Akteure in einem Stummfilm ein. Sie agieren vor einer Leinwand, auf der unentwegt gezeichnete Trickfilm-Animationen Gesang und Szenerie begleiten, ja die eigentliche Interaktion ausmachen. Genau abgestimmt sind die von Jugendstil, Comic, Music Hall und Collage inspirierten, märchenhaften Zeichnungen auf die Worte und auslösenden Bewegungen der Darsteller.
Die Dialoge des Originals wurden komplett gestrichen; ihren Platz nehmen Solopassagen des Hammerklaviers (ausgezeichnet: Frank Schulte) aus Mozarts Fantasien in c-Moll (KV475) und d-Moll (KV397) ein, zu denen die Protagonisten pantomimisch agierten, während die Texte in großen Lettern flackernder Bildqualität auf der Leinwand projiziert wurden – ebenfalls eine Referenz an das Stummfilmgenre. Witzig, phantasievoll und zuweilen ironisch waren die detailreichen Bebilderungen gestaltet; so wurde Papageno zum Beispiel ständig von einer Katze nebst Eulen statt der üblichen Singvögel begleitet. Beeindruckend gelang auch die präzise Abstimmung von Musik und Film und trotzdem ließ diese Inszenierung auch ein paar Fragen offen.
So ging die erforderliche zeitliche Akkuratesse womöglich zu Lasten einer gewissen Musikalität, und sei es nur die Verzögerung um einen Augenblick, um des Gefühls Willen. Ohnehin bleibt in der Bilderflut wenig Platz für die Musik, der ihrerseits fast nur eine akustisch bebildernde, die Malereien umspinnende Nebenfunktion zuzukommen scheint, wie überhaupt (und logischerweise) alles dem Film untergeordnet war. So hatten die Sänger etwa vier Plätze auf der Bühne, an denen sie abwechselnd stehen konnten, um in das filmische Geschehen eingebaut zu werden. Und vielmehr als stehend ihre Arien abzusingen durften sie denn auch nicht tun; um sie her bewegte Bilder, deren Reiz sich aber doch irgendwann erschöpfte, ja in seiner Originalität gar wiederholte. Personenregie gab es also im Grunde keine. Dies offenbarte sich besonders in der Szene, in der Tamino und Pamino endlich zueinander finden – hier wussten die Sänger mit ihrer plötzlichen Gemeinsamkeit nichts anzufangen. Am Ende war dann abrupt Schluss mit dem Film und das Finale fand vor dem roten Vorhang statt, möglicherweise eine Referenz an die Ouvertüre, die auch bei geschlossenem Vorhang erklungen war. Ein tieferer Sinn des bunten Bilderreigens erschloss sich nur bedingt.