Cavalleria rusticana und Pagliacci halten sich in fataler Umarmung, seit sie 1893 zum ersten Mal als Doppelvorstellung programmiert wurden. Tändeleien mit anderen Partnern folgten und sogar der gelegentliche Soloauftritt, doch das Duo wurde so bekannt, dass es sogar seine eigene „Cav'n'Pag“-Abkürzung besitzt. Die letzte Neuproduktion war Franco Zeffirellis an der Royal Opera 1959, eine Neuinszenierung war also lange überfällig. Damiano Michieletto siedelt beide Opern nicht nur im gleichen italienischen Dorf in den 1980ern an, er gestattet Figuren der einen Oper auch, in die andere zu wandern... mit genialem Ergebnis.
So sahen wir in Cavalleria rusticana, wie Beppe Pagliacci-Poster an die Wände von Mamma Lucias Bäckerei klebt, während Nedda im berühmten Intermezzo ihre erste amouröse Begegnung mit Silvio hat, der hier ein niederer Bäcker ist. Die Dinge werden im Intermezzo zu Pagliacci umgekehrt, wo die trauernde Mamma Lucia wieder mit Santuzza vereint wird, die Turiddus Kind gebiert. Beide Intermezzi – Vorgeschichte und Postscript – sind kleine Geniestreiche, die unser Verständnis der Figuren der anderen Oper subtil bereichern.
Paolo Fantin setzt für jede Oper ein anderes Bühnenbild ein, doch beide nutzen eine Drehbühne, um uns verschiedene Perspektiven auf die Handlung zu geben, von der Küche bis zum Ladentresen, vom Ankleideraum zur Bühne der Gemeindehalle, von privatem Schmerz zu öffentlicher Trauer. Michieletto vermischt Humor und Melodrama. Kinder mit Heiligenscheinen aus Lametta, die ein Passionsspiel aufführen, drängeln sich auf der engen Bühne in Pagliacci, während die Madonna in der Osterprozession Santuzza anklagend mit dem Finger droht. Weitere dramatische Mittel sind ein Standbild des letzten Tableaus der Oper, das die eröffnende Siciliana in Cav begleitet, sowie eine Sequenz in Pagliacci, in der Doubles die „Bühnenhandlung“ in der Gemeindehalle weiterführen, während Taddeo (Tonio) und Columbina (Nedda) Canio in seinem Umkleideraum necken und der Anführer der Clowns den Verstand verliert und zur Flasche greift. Das Drama ist stringent, die Bühnenkunst überzeugend.
Die Besetzung der Royal Opera hat Stärken, aber auch Schwächen. Aleksandrs Antonenkos stattlicher Tenor ist gebräunt und besitzt Trompetenton, ist jedoch eng in der Höhe und zu oft zu hoch intoniert in Cav. Pag zeigte ihn in sicherer Form und er bot ein intensives „Vesti la giubba“, während Canio sich grimmig darauf vorbereitet, dass „die Show weitergeht“. Eva-Maria Westbroeks hin- und hergerissene Santuzza war überzeugend gespielt und ihr dunkler Sopran verlieh der Rolle Biss. Ihr Vibrato allerdings läuft nun gefährlich weit auseinander und sie vermeidet lange Aufenthalte auf exponierten Spitzentönen, weil die nicht mehr sicher sind. Carmen Giannattasios hohe Lage besitzt ein stählernes Glitzern – und beträchtliche Kraft – was ihre Nedda besonders temperamentvoll machte, doch sie war auch in der Lage, in ihrer Bühnenfigur Columbina passend herumzublödeln... und wer sonst könnte in Cav so unerhört die Schau stehlen?