Performance ist geradezu die Kunst der Erneuerung, deshalb muss sich eine Inszenierung, um für Jahrzehnte im Repertoire eines Theaters zu bleiben, immer wieder neu erfinden können, nicht einfach jeden Abend, aber über die Jahre, ohne dabei zu einem Museumsstück zu verkommen. Ein Gedanke, die diese höchst nostalgische Opernsaison mit ihrem Trend, klassische Inszenierung neu zu erschaffen, mit sich bringt – Heiner Müllers Bayreuther Tristan aus den 1990er in Lyon, Herbert von Karajans Walküre in Salzburg – gepaart mit Meilenstein Jubiläen berühmter Inszenierungen – Joachim Herz’ Butterfly wird an der Welsh National Opera zum 250. Mal aufgeführt, Parsifal feiert am Nationaltheater Mannheim seinen 60. Geburtstags. Für eine kleine Auflage an Aufführungen hat Mannheim auch Ruth Berghaus’ noch immer frisch wirkende Elektra aus dem Jahr 1980 zurück ins Repertoire geholt, ein Erfolg bis hin zur großartigen musikalischen Leistung, aber dazu später.
Obwohl die 1996 verstorbene Berghaus die meisten ihrer schaffenden Jahre in Frankfurt verbrachte, wurde sie in den 1950er als Vertreterin der radikalen ostdeutschen Regieschule vom berühmten Walter Felsenstein gefördert. Ihre Mannheimer Elektra geht zurück auf den Beginn dieser Frankfurter Periode und ist ganz nach den Standards der von ihr repräsentierten Regieschule als griechische Tragödie angesetzt, mit Marie-Luise Strandts Bühnenbild, das einen schmutzigen, rauen Tierstall eines Innenhofes darstellt, umgeben von einer mit weißen Vorhängen abgetrennten Leere. Die Kunst und Originalität der Inszenierung liegen in der Beschreibung der Charaktere, im Zusammenspiel der Protagonisten und im scharfen Fokus auf Elektra selbst (obwohl ich nicht sagen kann, wie viele Details original sind oder durch die Regisseurin Claudia Plaßwich in der Neuinszenierung hinzugefügt wurden). Wirkungsvoll sieht man die Geschehnisse durch die Augen Elektras und durch Catherine Fosters überragende Darstellung kann man für sie nichts als Empathie verspüren. Die Aufeinandertreffen mit ihren Familienmitgliedern sind bemerkenswert, besonders der psychologische Machtkampf zwischen Mutter und Tochter in der Szene mit Klytämnestra, wenn beide physisch versuchen die Oberhand zu gewinnen (kein geeignetes Verhaltensmodell am Abend des deutschen Muttertags…). Die Erkennungsszene zwischen Elektra und ihrem Bruder Orest ist ähnlich intensiv in ihrer emotionalen Darstellung.