Am Ende der Vorstellung stand das Team hinter dem aktuellen Bayreuther Ring einfach für über vier Minuten im Rampenlicht und ließ die Mischung aus Applaus und sehr vokalem Widerspruch über sich hereinbrechen. Als Ganzes genommen verdiente die Produktion wahrscheinlich sowohl Blumen als auch Prügel: mal war sie ärgerlich ausschweifend, dann auf interessante Weise provokant, mal visuell ansprechend, mal verwirrend und bereichernd. Regisseur Frank Castorfs Idee für die Götterdämmerung war bedeutend weniger anarchisch als sein Siegfried, obwohl die Überarbeitung des Endes eindeutig so einige gestellte Nackenhaare und Zwischenrufe verursachte. Die Besetzung des vergangenen Abends wurde richtigerweise von der scharfen Kritik des Publikums ausgenommen und erntete warmherzigen Applaus, ebenso Kirill Petrenko, abermals der Held der Stunde, oder vielmehr der sechs Stunden zwanzig Minuten Spielzeit des letzten Teils in Wagners Tetralogie (einschließlich Pausen).
Der Großteil des multilokalen Sets für die Götterdämmerung war offenbar in Berlin angesiedelt: ein Handlungsort zeigte ein Gebäude, verpackt in der Art von Christos Bundestagsprojekt, ein anderer einen Obst- und Gemüsehandel neben einem Dönerladen. Eine dritte, enge Ansicht zeigte eine Mietshaustreppe mit einem Erdgeschosszimmer, das mal ein Voodoo-Tempel war, mal von Obdachlosen besetzt. Die vierte Seite zeigte eine deutsche Chemiefabrik, vor sich Ölfässer stapelten. Castorf und Bühnenbildner Aleksander Denić ignorierten Tschechows berühmte Aufforderung, dass wenn eine Pistole zeigt wird, man sie auch irgendwann verwenden muss, denn diese Fässer wurden nicht genutzt, um am Ende das Feuer zu entfachen, das Walhalla verschlingen wird. Die Verhüllung des vermutlichen Bundestags fiel schließlich im dritten Aufzug und enthüllte „The New York Stock Exchange“, doch was immer hier auch die politische Aussage war, sie wurde nicht konsequent weiterverfolgt.
Adriana Braga Peretzkis Kostüme für die Nornen kombinierten gegen alle Intuition grellbunte Partykleider mit der Oberbekleidung einer Stadtstreicherin. Anna Lapkovskaja (gleichzeitig die Rheintochter Floßhilde) gab eine besonders fesselnde Erste Norne, während Claudia Mahnke an diesem Abend ebenfalls Doppelschicht als Zweite Norne und Waltraute führte. Obwohl sie in der letzteren Rolle ausgezeichnet war, fragte ich mich, ob sie nicht manches Mal ein wenig tief in ihrem Register für wirklich angenehmen Vortrag lag.
Stephen Milling, der mich im letzten Jahr als Marke in einem Berliner Tristan umgehauen hatte, gab einen hervorragenden Hagen. Nicht nur war seine Stimme absolut packend und wenn nötig unendlich weit, er fing auch die formidable Bedrohlichkeit seiner Figur besser ein als die meisten anderen, die ich bisher gesehen habe. Sein Wachlied trug er aus einem eisernen Gitter vor, doch das verstärkte den Eindruck von zurückgehaltener, böswilliger Kraft nur. Mit dem ersten Schwung reformistischer Begeisterung verbannte Wagner den Chor aus den frühen Ring-Opern, doch nach Hagens sammelndem Ruf bekommen die Vasallen eine kurze aber denkwürdige Szene, die die Herren des Festspielchores mit Begeisterung vortrugen.