Hans Werner Henzes neunte und in vieler Augen größte Oper, Die Bassariden, scheint eine Art Renaissance zu genießen, 50 Jahre, nachdem sie 1966 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt wurde. Eine Inszenierung hat gerade die Spielzeit in Rom eröffnet, und eine weitere hat den Herbst in Mannheim dominiert. Komponiert zu einem Libretto von W.H. Augen und Chester Kallman, das auf Euripides' Bacchae fußt, erzählt die Oper die typisch griechische Tragödie des Königs Pentheus und der Rache des Dionysos für den Tod seiner Mutter Semele, in dem Pentheus' eigene Mutter, Agaue, unwissend den Tod ihres eigenen Sohnes verursacht.
Henzes Musik, eine Lodern von Farbe, Energie und verführerischer Wärme, scheint das vergangene Jahrhundert oder mehr in seinem epischen Stil zusammenzufassen. Auden und Kallman ermutigten den Komponisten, sich mit der Götterdämmerung zu versöhnen, bevor zu schreiben begänne, von solcher Reichweite ist das Drama, und, obwohl an sich enorm originell, scheint die Klangwelt Erinnerungen an alles von Bach bis Strawinsky, Strauss' Elektra und Bergs Lulu, von Mahler bis Schönberg hervorzurufen. Mit einer Dauer von ziemlich genau zwei Stunden ohne Pause sind die Bassariden als viersätzige Symphonie angelegt, die in einer gigantischen Passacaglia gipfeln, als die dramatische Handlung ihren blutrünstigen Höhepunkt erreicht.
Frank Hilbrichs Inszenierung für das Mannheimer Nationaltheater versetzt die alten Griechen in eine zeitgenössische Umgebung – die Parallelen zu modernen Familiensagas wie Denver-Clan sind sicherlich beabsichtigt. Volker Thieles Bühnenbild teilt die Bühne in zwei horizontale Ebenen auf; die untere zeigt Thebens mit Büchern gefülltes Wohnzimmer, die obere einen Bildschirm, um meist mit Live-Videos (gekonnt gefilmt von Robert Wanders hinter diesem Bildschirm) die lasziven und letztlich grauenhaften Aktivitäten auf dem Berg Kithairon, auf den Dionysos die Menschen gelockt hat, und letztlich Pentheus selbst. Die entstehenden, briefkastenförmigen Bühnenbilder machen wohl das Gefühl des Epischen des Dramas zunichte, sicherlich in Anbetracht der Assoziation von griechischen Tragödien, die in weitläufigen Amphitheatern aufgeführt werden, doch der Fokus war so viel stärker, besonders mit den vergrößerten Bildern auf der „Kinoleinwand“ darüber.