Bei den Sommets Musicaux de Gstaad dreht sich in diesem Jahr alles um die Harfe, und es könnte kaum einen besseren Solisten als Emmanuel Ceysson geben, einen jungen Harfenisten, dessen Liebe zu seinem Instrument aus allen Poren dringt. Es ist einfach grandios, Ceysson zuzusehen, nicht zuletzt aufgrund seines jungenhaften Enthusiasmus: wann immer er ein Glissando oder eine andere komplexe Figur spielt, erhellt ein breites Lächeln sein Gesicht, als wolle er sagen „wie großartig ist es, dass ich aus meinem Instrument solche Töne herausholen kann“.
Und in der Tat spielte er das Glière-Konzert mit enormer Virtuosität. Für das ungeübte Auge sieht die Harfe an sich schon wie ein teuflisch schweres Instrument aus – man soll schrecklich viele Töne auf einem Satz Saiten spielen, der nicht unbedingt aussieht, als wäre er besonders angenehm angelegt – aber Ceysson spielt eindeutig auf einem Niveau, auf dem man nicht nur diese komplexen Phrasen spielen, sondern auch in sie hinein beschleunigen oder sie verlangsamen oder die Dynamik ändern kann, um der jeweiligen Stimmung gerecht zu werden.
Trotz all dieser Virtuosität war dies keine erlesene Konzertleistung, aus dem einfachen Grund, dass Dirigent und Orchester nicht wirklich synchron mit ihrem Solisten spielten. Unter der Leitung und dem wachsamen Auge von Ondrej Lenárd erzeugte das Prager Radio Symphonieorchester viel Energie, aber an vielen Stellen – praktisch immer dann, wenn sich Solist und Orchester nicht abwechselten – an denen die Harfe schwer zu hören war.
Dem Hörer sei vergeben, wenn er die Verbindung zur Harfe im ersten Stück des Abends, Schubers beliebtem Ave Maria, nicht gleich entdeckte. Schuberts Original ist eine Gebetsvertonung aus Sir Walter Scotts The Lady of the Lake, das aus der Ferne vom Harfenisten Allan-bane begleitet wird. Inva Mula entschied sich hier für das lateinische Gebet anstelle von Schuberts Originaltext (eine freie Übersetzung des Scott-Gedichtes), und sie sang es mit Autorität und stimmlicher Reinheit. Mit ihrem starken Sopran brachte sie wahre Verehrung zum Ausdruck.
Doch auch hier war das Orchester nicht wirklich eins mit der Solistin – oder gar mit sich selbst. Es dauerte bis zum dritten Stück – die zweite von Dvořáks Legenden, Op. 59 – bis ich das Gefühl bekam, dass das Orchester sicher genug war, um der Musik etwas Autorität und Ausdruck zu verleihen; dann jedoch hoben sich die Bläserzitate schön vom Hintergrund der Streicher ab.