Eine dystopische Zukunft. Eine Gesellschaft im Krieg und unter Ausgangsverbot. Eine ländliche Familie, die kaum über die Runden kommt, als Nahrungsmittel – mit Hubschraubern eingeflogen – zur Neige gehen und das Leben zu einem Kampf ums Überleben wird. Wir betreten die Welt von Dog Days, die Oper des US-Komponisten David T. Little, die bei ihrer Uraufführung in New Jersey 2012 ziemlichen Aufruhr verursacht hat. Sie hat bereits die Staaten durchquert und jetzt in Bielefeld ihre erste europäische Produktion erfahren. Ihr düsteres Libretto von Royce Vavrek basiert auf einer Kurzgeschichte von Judy Budnitz und versucht auszuloten, was passieren muss, damit der Mensch zu seinen animalischen Instinkten zurückkehrt.
In dieser postapokalyptischen Welt hat sich ein als Hund verkleideter Mann der Familie hinzugesellt und ist zum Haustier der Tochter Lisa geworden. Vater, Howard, verbringt seine Tage mit der Jagd nach Nahrung; Mutter versucht, den Haushalt zusammenzuhalten, während die beiden Söhne, Pat und Elliot, im Haus herum liegen und Gras rauchen, und Lisa ihrer besten Freundin Marjorie unbeantwortete SMS schickt. Das Gefühl einer in die Knie gezwungenen Gesellschaft, in der die Familieneinheit das einzige ist, das noch zusammenhält, ist greifbar. Mitten im Winter sind alle Lebensmittel aufgebraucht und die Jungs erinnern sich beiläufig daran, dass sie in China Hunde essen, oder...? Howard holt seine Flinte. Die Männer haben die ganze Zeit darauf hingewiesen, dass Prince ein Mann im Hundekostüm ist, doch das soll sie nicht länger aufhalten. Die grausige letzte Szene mit dem Titel „The Three Ravens“ (Die Drei Raben) zeigt die drei, wie sie sich auf sein Fleisch stürzen, als Littles Musik tosende Lautstärke erreichte und die Armee eintrifft, um sie zu verhaften und ihr Haus an eine neue Familie zu übergeben. Wird sich dasselbe noch einmal abspielen?
Klaus Hemmeries fließende Inszenierung, unterstützt von den zahlreichen Räumen des Hauses in Tilo Steffens drehbarem Bühnenbild hält die Dinge immer dramatisch in Bewegung, obwohl vieles der Handlung recht statisch und teils sogar kontemplativ ist – Littles Oper teilt sich in eigenständige Szenen und verläuft musikalisch nahezu in Nummernform mit diskreten Arien, Duetten und Ensembles. Die Musik selbst zeugt von breit gefächerten Einflüssen von Coplandesken Folklore-Elementen bis Heavy Metal, und die zehn Instrumentalisten – Klarinette, vier Streicher, Klavier, elektrische Gitarre und Perkussion – packen mit Poesie sowie mit frenetischer Energie. Littles großteils diatonische Sprache wandert harmonisch nicht zu weit ab, stellt kurze Motive auf, die zu Riffs werden, die dann in minimalistischem Stil eher expandieren als sich entwickeln. Anklänge an Gamelan fallen in Lisas Arie mit dem Hund in der Szene „Friends“ (Freunde) ein, und die kreischende E-Gitarre übernimmt als Howard im zweiten Akt in einer zerstörerischen Raserei zusammenbricht. Vielleicht am wirkungsvollsten ist sie, wenn „Musik“ in der Auflösung Geräusch weicht.