Für den Eröffnungsabend des Münchner Opernfestivals gab die Bayerische Staatsoper Verdis Macbeth mit einer Starbesetzung, von der man in der heutigen Opernwelt sonst nur träumen kann. Trotz des ziemlichen Durcheinanders in Martin Kušejs Produktion machte die absolute Hingabe und stimmliche Pracht der Besetzung, insbesondere von Anna Netrebko und Simon Keenlyside, diese Inszenierung zu einem Highlight des diesjährigen Opernkalenders und zu einer Vorzeigevorstellung für ein wichtiges Rollendebut der Netrebko.
Die Rolle der Lady Macbeth ist einer ihrer ersten Streifzüge in diese Art der gewichtigeren Rollen, die ihre reifende Stimme richtiggehend zu fordern scheint. Ihre Koloraturkünste wurden zwar oft kritisiert, aber es wurde offensichtlich, dass sie unablässig daran gearbeitet hat. Wo es nötig war, war sie überwiegend akkurat, mit einigen schönen Trillern in den Trinkliedern. Viel wichtiger aber ist, dass sie ein wahrhaft eruptives Temperament zeigte, das sie großzügig sowohl für die Musik als auch für die Darstellung einsetzte. Die Eröffnungsarie war wild und prägnant und doch herrlich voll im Ton, und senkte sich oft in eine überraschend volle Bruststimme. Netrebkos Stimme besitzt die nötige Fülle, um sich gegenüber dem Orchester und dem Chor durchzusetzen, sie dominierte das Finale des ersten Aktes und schloss ihn mit einem unglaublichen hohen Des ab. Am anderen Ende des dramatischen Spektrums liegt die Schlafwandel-Szene, die introspektiv und in der Tat sehr schaurig war, gekrönt von einem weiteren Des, doch diesmal in ätherischem pianissimo - ein hinreißend stiller Moment.
Keenlysides psychologisch komplexe Interpretation der Titelrolle stellte ein spannendes Gegenstück zu dieser Naturgewalt dar. In jeder Interaktion der beiden sprühten dramatische Funken, und sein eher introspektives Schauspiel bot einen spannenden Charakterkontrast. Beide wirkten auch in der oft sehr körperlichen schauspielerischen Darstellung völlig natürlich. Besonders wirkungsvoll waren Keenlysides Wahnsinns-Szenen, in denen er sich für kurze Zeit in den schottischen König verwandelte, der verzweifelt versucht, die Kontrolle wiederzuerlangen. Seinem starken Bariton fehlt zwar vielleicht ein bisschen der italienisch anmutende Klang, aber er steht immer ganz im Dienste des Textes. So mag es auch ein wenig überraschend sein, dass der Höhepunkt seiner Vorstellung das lyrische „Pietà, rispetto, amore“ war, doch hier begann seine Stimme plötzlich zu fließen wie bei einem großen Bariton aus früheren Zeiten, mit makellosem Legato, was ihm verdient den größten Applaus des Abends einbrachte.
Heutzutage gibt es sicherlich keinen Mangel an großen lyrischen Tenören, aber selbst unter diesen muss Joseph Calleja als Ausnahme betrachtet werden. Sein goldener Ton, verbunden mit einem faszinierenden, schnellen Vibrato, umschmeichelte Verdis lange Phrasen in seiner großen Arie. Trotz seines lyrischen Charakters ertönte Callejas Tenor aber furchtlos in den Ensembles, und obwohl sie nicht die stärkste Stimme war, war sie auch in den dichtesten Passagen der Finali des ersten und zweiten Aktes immer klar herauszuhören. Ildar Abdrazakov als Banquo machte die Besetzung komplett. In der Eröffnungsszene bot er mit Keenlyside ein erfreuliches Duett, und obwohl die bewegende Rede zu seinem Sohn etwas zu baritonal geklungen haben mag, so war sie doch ergreifend dargeboten.