Leos Janáčeks vorletzte Oper Věc Makropulos wurde 1926 im mährischen Brünn (in der heutigen Tschechischen Republik) uraufgeführt. Es hat beinahe 90 Jahre gedauert, bis die Wiener Staatsoper dieses einzigartige Meisterwerk zum ersten Mal präsentierte, obwohl es in den Jahren davor einmal am Theater an der Wien (1938) und ein paar Mal an der Volksoper gespielt wurde. Das lange Warten hat sich gelohnt. Die geradlinige aber elegante Produktion von Peter Stein bildete den perfekten Hintergrund, um die Geschichte der 337 Jahre alten Emilia Marty, basierend auf einem Schauspiel von Janáčeks Landsmann Karel Čapek, zu zeigen. Darin unternimmt sie einen späten Versuch, die geheime, lebensverlängernde Formel ihres Vaters wiederzuentdecken, nur, um dann in letzter Minute Erlösung durch den Tod zu wählen.
Das Büro des Anwalts Dr. Kolenatý im ersten Akt wurde von zwei hoch aufragenden Bücherregalen voller juristischer Dokumente dominiert. Einfaches Büromobiliar vervollständigte den Schauplatz für die Diskussion eines jahrhundertelangen Erbschaftsstreits, Gregor gegen Prus. Im zweiten Akt spielte sich die Handlung auf der Bühne eines Opernhauses ab, für die die Wiener Staatsoper Modell stand, und auf der Emilia Marty gerade eine enthusiastisch aufgenommene Vorstellung gab. Martys Hotelsuite im dritten Akt war im Art Deco-Stil der 1920er ausgestattet, mit halbtransparentem, weißen Vorhang, der die Sitzecke vorne vom Schlafbereich hinten teilte. Die Kostüme von Annamaria Heinrich waren der Epoche angepasst, einfach und doch oft atemberaubend, besonders für Marty und Krista, eine junge Sängerin, die sich in Prus' Sohn Janek verliebt hatte.
Besonderes Lob geht auch an die Lichtregie von Joachim Barth. Im ersten Akt wurde das helle Licht des Anwaltsbüros plötzlich gedimmt, als Marty die Szene betrat, um ihre Existenz außerhalb der Zeit anzudeuten. Janáček verlangt hier, dass Bühne und Auditorium am Ende des dritten Aktes als Begleitung der geisterhaften Erscheinung der Marty in blassgrünes Licht getaucht werden. Barth beleuchtete den Schlafzimmervorhang blau, und nur Marty war blassgrün beleuchtet. Als das Makropulos-Dokument in Flammen aufging und Marty tot zusammenbrach, glühte die gesamte Bühne in rotem Licht für das letzte Bild.
Peter Stein nahm sich in dieser Inszenierung eine ungewöhnliche Freiheit. Marty wurde während der Befragung zu ihrer Identität im dritten Akt ohnmächtig und wurde in ihr Schlafzimmer getragen. Als sie für ihre letzte Szene in Begleitung eines Arztes wieder auftrat, war sie in einen Morgenmantel bekleidet und trug eine grässliche braune Maske, die eine 337-Jährige bedeuten sollte. Diese schockierende Transformation war recht wirkungsvoll darin, das Mitgefühl des Zuschauers für ihr Leid und ihre Verzweiflung zu erregen. Als sie Marty stützte, sah man auf Kristas Gesicht sowohl Abscheu als auch Mitleid, und machte die Entscheidung, die geheime Formel zu verbrennen, glaubwürdig. Die letzten Momente der Oper zeigten den Männerchor singend von den Seiten im Auditorium, nicht hinter der Bühne, was das Publikum in das Drama mit einband.