Nur wenige Computerspiele finden in Wäldern statt. Sie werden zumeist in postapokalyptischen Ruinen dessen gespielt, was einstmals Städte waren. Dort siedelte Regisseur George Schmiedleitner, zusammen mit Designer Stefan Brandmayr, die Inszenierung von Siegfried an der Oper Nürnberg an. Wenn die Walküren gedacht haben, der Wald im Osten ist ein Ort, den zu betreten sich Wotan fürchte, dann ist dieser Ort, an dem die Flüchtlinge Mime und Fafner Asyl gesucht haben, sicherlich ein beängstigender Ort, mit dem sich unsere Generation besser identifizieren kann. Das Bühnenbild passte gut zu diesem Kontext.
Dieser Siegfried hatte etwas Bodenständiges, Schonungsloses, das die Figuren in ihren dysfunktionalen Beziehungen glaubhaft machte. Ich konnte die Spannung beinahe in meinem Sitz spüren. Dazu trugen phantastischer Gesang und Schauspiel bei: Peter Galliard (Mime) war herausragend – so ausdrucksvoll, meisterhaft im Timing. Er und Vincent Wolfsteiner (Siegfried), der zunächst als launischer Teenager auftrat, der meinte, schon alles gehört zu haben, gingen sich gegenseitig auf die Nerven, waren schwierig im Zusammenleben, aber großartig in ihren Konfrontationen und ihrem Gesang. Der Wanderer (Antonio Yang), mit roter Baseball-Kappe, die zwei Nummern zu klein war, Brille und einem Einkaufswagen, aber beeindruckender, Achtung gebietender Präsenz, sang melodisch, mühelos und mit Autorität. Er machte es sich in Mimes unaufgeräumter, rußgeschwärzter Hütte gemütlich, badete sogar seine Füße in Waschmittel, als sich das Walhalla-Motiv als Antwort auf Mimes dritte Frage erhob, und Mimes Stimme zeigte, wie unbehaglich er sich in des Wanderers Gegenwart fühlte.
Ein Glas Nutella wird zum merkwürdig vereinenden Element – Siegfried und der Wanderer haben beide eine Vorliebe dafür, fingerweise (vielleicht die Gene), und Mime versetzte das Nutella mit Siegfrieds Zaubertrank. Als er Notung schmiedete, sang dieser lüstern und beende den Aufzug stehend auf der Waschmaschine und schwang sein frisch geschmiedetes Schwert über dem Kopf.
Der zweite Aufzug fand auf einer eingebrochenen Autobahn statt, unter der Fafner (Nicolai Karnolsky) verweilte, und wo abgenutzte kyrillische Schriftzeichen uns daran erinnerten, dass wir uns „im Osten“ befanden. Marcus Bosch leitete das Orchester auf brillante Weise in der Begleitung, die den Hauch dunkler Vorahnung, die diesem Ort anhaftete, mit bedrohlichen Klängen vom bemerkenswertem Gefühl und viel vibrierendem Bass unterstrichen – sogar die Sitze im Auditorium vibrierten. Alberich (Stefan Stoll) betrat das Geschehen dramatisch, stolperte auf die Bühne im Kontrast zum entspannten Wanderer, der noch immer seinen Einkaufswagen mit sich zerrte und nun Zeitung lesend dasaß und Alberichs Geschimpfe ignorierte. Bis dieser des Wanderers Hand unter seinem Fuß festhielt und auf ihn urinierte, ganz wie die Art Mensch, die dieser Siegfried darstellte. Und alles zu erbaulichstem Gesang.
Der helle Waldvogel (Csilla Csövari), ein lieblicher Sopran in punkigem Schwarz, mit rasiertem Kopf, schwarzem Make-up, Spuren von Flügeln, Krücken und mit Ballons in der Hand, mimte Worte zur Musik, bis sie schließlich ihre Chance zu singen bekam, und als sie sang, war es großartig. Siegfried hatte ein Double, das das Horn spielte, um Fafner (im blauen Anzug) zu wecken, mit vollem, kräftigem Bass, doch auch das Double konnte gegen Siegfrieds Schwert nichts ausrichten: es floss Blut, und noch mehr Blut von Mime, das die erhöhte Straße hinunterfloss.