Tosca ist keine politische Oper, nicht in dem Sinne, in dem beispielsweise Fidelio eine ist, denn sie konzentriert sich eher auf das Gefühlsleben und die persönlichen Tragödien der Figuren, als eine Aussage zu machen, ein Argument anzubringen. Doch es ist dieser Tage schwierig für Regisseure, ihren Hintergrund von autoritärer Regierung nicht zu erforschen, und es ist ein Werk, das sich gut über sein originales, neapolitanisches Milieu hinaus aktualisieren lässt: schließlich hat es in den zwei Jahrhunderten dazwischen reichlich Pescaras gegeben.
Für diese Produktion kehrte Ludger Engels, der bis 2013 Chefregisseur in Aachen war, an das Theater zurück. Er siedelt Tosca in der Gegenwart an, in einer römischen Gesellschaft unter undefinierter, brutaler Herrschaft, eine, die – es wird immer offensichtlicher – mit der Kirche unter einer Decke steckt. Diese klerikale Mitschuld wird figurativ durch die Ortung der Oper in und um eine barocke, römische Kirche unterstrichen, die mit enorm vergrößerten Fotos evoziert wird. Der religiöse Hintergrund ist natürlich bereits angelegt: Floria Tosca ist eine tiefreligiöse Frau, was ihre Entscheidung, ihren Angreifer zu ermorden, zu einer tief verstörenden für sie macht – hier lässt sie auch ihre Kette mit Kruzifix auf Scarpias Schreibtisch fallen, als sie den Ort ihrer Tat verlässt, als versuche sie, Distanz zwischen ihren Glauben und ihre Tat bringen.
Engels' Motiv braucht Zeit, um sich präsent zu machen, doch am Ende des ersten Aktes beginnt man zu verstehen, wo es hingeht: während des Te Deums bereiten Nonnen ein paar Schulmädchen für Scarpias „Aufmerksamkeiten“ vor, und der Vorhang zu Akt I fällt, als sie ihr Schicksal erwarten (Scarpia ist doch sicherlich scheußlich genug, auch ohne, dass die Liste seiner Untaten um Pädophilie ergänzt wird). Nonnen und Priester sind auch zur Stelle, um nach Scarpias Mord die Spuren zu beseitigen (der zweite und dritte Akt laufen zusammen ohne Pause).
Zwischenzeitlich ist auch eine stumme, papstähnliche Gestalt vor Ort, während des Te Deums, besucht den Ort von Cavaradossis Folter, segnet schließlich die Exekution ab und liefert die Waffe, mit der der Küster (der weiterhin in den Rollen des Gefängniswärters und einem Ein-Mann-Erschießungskommando auftritt) den Maler erschießt. Traditionalisten werden mit Freude sehen, dass Tosca sich auf konventionellem Wege das Leben nimmt, als sie in ein blendend grelles Licht auf der Bühnenrückseite wirft, und ein Double der jungen Floria aus dem Schnürboden fällt – ein letzter Moment von eindringlichem visuellen Drama passend zur Musik.