Alban Bergs Wozzeck ist mit Erinnerungen an den Krieg gefüllt. Als der Komponist 1915 eingezogen wurde, um mit dem österreichen Regiment zu kämpfen, verzögerte sich zwar die Arbeit an der Oper, aber er blieb besessen von ihrer Fertigstellung. Der „schnarchende Chor” ist nur eine Anspielung auf Bergs Erlebnissen an der Front und, in einem Brief an seine Frau, beschrieb er Wozzeck als teilweise auf ihn selbst basierend: „Steckt doch auch ein Stück von mir in seiner Figur, seit ich ebenso abhängig von verhassten Menschen, gebunden, kränklich, unfrei, resigniert, ja gedemütigt, diese Kriegsjahre verbringe.”
Die Neuinszenierung des Künstlers William Kentridge für die Salzburger Festspiele ist ebenfalls mit Kriegserinnerungen gespickt. Er lässt die Handlung in einem zertrümmerten Gebäude spielen und, wie schon bei seiner Produktion von Lulu, überzieht er die Bühne mit seinem Markenzeichen, animierten Bildern; hier werden aufblitzende Filmausschnitte gezeigt, um ein Netz an visuellen Motiven zu spannen, das machtvoll den Ersten Weltkrieg heraufbeschwört. Die grauenvollsten werden zu wiederkehrenden Motiven – wir sehen auf dem Schlachtfeld verstreute abgetrennte Köpfe (das erste Mal in der zweiten Szene, als er von qualvollen Visionen geplagt wird) und gespenstische, Gasmasken tragende Gestalten – während sich die Charaktere und Statisten durch den visuellen Teppich schlängeln und Teil eines expressionistischen Ganzen werden. Die groteske, cartoonistische Puppe, die Wozzecks und Maries Kind repräsentiert, könnte auch aus einem Tim Burton Film stammen.
Es ist eine geschickt konstruierte Produktion und eine, die mit unseren Sichtweisen spielt. Ob die Bilder Rückblicke eines vom Krieg gezeichneten Wozzecks oder an Büchner erinnernde Omen der drohenden Schrecken sind, bleibt dem Publikum überlassen. Genau wie die Frage, ob man die Inszenierung in erster Linie als Realismus oder als Beschreibung Wozzecks geplagter Seele auffassen soll. Kentridge versucht uns letzteres glauben zu lassen, als sich ein Schrank zu einer albträumerischen Darstellung der Szene öffnet, in der er vom Doktor gequält wird. Und trotzdem, bei all dieser detaillierten Kunst, ist dies im Wesentlichen eine geradlinige Auffassung, deren größte Stärke in der klaren Erzählweise der Handlung liegt. Unterstützt von seinem Koproduzenten Luc De Wit, ist Kentridges Regie der menschlichen Elemente der Produktion stark. Die Allegorie, dass die schlichte menschliche Böswilligkeit einen Krieg ermöglicht, bleibt durchgängig präsent.