Im Gedenken an die erst kürzlich verstorbene Pionierin Pauline Oliveros (1932-2016).
Die Gender-Diskussion ist nun wichtiger denn je. 2017 ereignen sich gewalttätige Vorfälle gegen Frauen und Transsexuelle erschreckend häufig; Entgeltgleichheit ist etwas, das es noch immer umzusetzen gilt, und Länder wie Japan, Schweden, Italien und die Vereinigten Staaten hatten noch nie ein weibliches Staatsoberhaupt. In der Kunstwelt ist das Bild nicht weniger düster. Dem Online-Podcast Listening to Ladies zufolge widmeten die Top 89 Orchester in den USA in der Spielzeit 2015-16 lediglich 2% ihres Programmes Musik, die von Frauen komponiert wurde. Hoffentlich werden wir bald an den Punkt kommen, an dem „Top 10 Komponistinnen“-Listen nicht mehr notwendig sein werden; hoffentlich werden Frauen und Transsexuelle in alljährlichen „Best of“-Listen, musikhistorischen Lehrplänen und Kunstprogrammen gerecht vertreten.
Für jede Frau auf dieser Liste gab es eine weitere, die ich ihr gerne hinzugefügt hätte (Caroline Shaw, Sofia Gubaidulina, Chaya Czernowin, Anna Thorvaldsdottir,...). Ich habe versucht, Lesern und Hörern eine vielseitige Auswahl an Klängen zu bieten: neuere und ältere, abstrakte und thematische, elektroakustische, vokale, elektronische, orchestrale, kammermusikalische und so weiter.
1. Yoko Ono, geboren 1933 in Japan: Yoko Ono hat im New York der 1960er neben John Cage und La Monte Young bahnbrechente Konzeptkunst und Fluxuswerke geschaffen, wird jedoch regelmäßig übersehen, sowohl in der Geschichte der Avantgardemusik als auch in der der Populärmusik, die ihr die Rolle „dieser Asiatin, die die Beatles zerstört hat“ gegeben hat. Doch die Bedeutung und der Einfluss von Yoko Onos furchtlosen Vocals, der prägnante Kommentar von Performancekunst wie Cut Piece und die Innovation ihrer Sammlung von Textpartituren, Grapefruit, kann man nicht ignorieren – ebenso wenig wie die Jahrzehnte ihres politischen Aktivismus.
[Video nicht mehr verfügbar]
2. Kaija Saariaho, geboren 1952 in Finnland: Kaija Saariaho war eine Pionierin der Spektralmusik der 1980er und komponiert so fließend für große Orchester wie für elektroakustisches Duo (zum Beispiel Sept Papillon unten). Allein in den letzten Monaten packten ihr Klarinettenkonzert D’om le vrai sens und ihre Oper L'Amour de loin Hörer in New York City; trotz ihres eigenen Erfolgs steht sie den geschlechtsbedingten Hindernissen in der Klassikwelt jedoch kritisch gegenüber und betonte kürzlich in einem Interview: „Die andere Hälfte der Menschheit hat auch etwas zu sagen, wissen Sie.“
3. Meredith Monk, geboren 1942 in den Vereinigten Staaten: Meredith Monks Musik verwebt Klang, Raum und Bewegung in elegant choreographierte, gelegentlich ortsspezifische Werke, die sie nicht schriftlich, sondern mündlich oder mit experimentellen Methoden an Mitglieder ihres Vocal Ensemble weitergibt. Durch die Einarbeitung von Jenseitsspiritualität, mittelalterlichen Gesangstechniken wie dem Hoquetus (wie in Hocket unten) sowie komplexen, doch oft wortlosen Erzählungen ist Monk für ihre vokale und körperliche Gymnastik genauso wie für ihre omnipräsenten, geflochtenen langen Zöpfe bekannt.
4. Tania León, geboren 1943 in Kuba: Tania Leóns musikalische Sprache bindet Farben und Genres in einem non-hierarchischen, expressionistischen Wirbel zusammen, den man vielleicht in Batá (unten) am deutlichsten sehen kann. Sie ist musikalisch vielseitig bewandert, lehrt, komponiert und dirigiert; zudem schrieb León auch das Libretto und dirigierte die Premiere ihrer ersten Oper A Scourge of Hyacinths, eine Kritik des nigerianischen Totalitarismus auf der Basis des gleichnamigen Schauspiels von Wole Soyinka.
5. Olga Neuwirth, geboren 1968 in Österreich: Zu Olga Neuwirths Werk zählt unter anderem Lost Highway, eine Oper auf der Basis eines David Lynch-Films, neben zahlreichen anderen Bühnenwerken, Kammerkompositionen und Konzerten; vielfältige Gattungen und außermusikalische Einflüsse wie die Werke Paul Austers verschmelzen in ihrer Klangwelt. In einem Interview mit dem VAN Magazin erklärte Neuwirth, die Geschichte ihres Lebens als Komponistin sei auch die Geschichte des konstanten Hinterfragens der Fähigkeit einer Frau zu komponieren. Und das demoralisiere.