Die trockene Akustik des Opernhauses war im Konzert von Fabio Luisi und der Philharmonia Zürich kein Negativum, sondern trug gesamthaft gesehen entscheidend zum Erfolg des Abends bei. Das Verwundern über die Abwesenheit von Nachhall hielt nur die ersten Takte von Richard Strauss' Don Juan vor. Im weiteren Verlauf des Konzerts überwogen gar die Vorteile der Theaterakustik. In halligen Konzertsälen neigen Strauss' Tondichtungen gelegentlich dazu, überladen, dicht, wenn nicht gar schwülstig zu wirken. Das mag Dirigenten zu einer betont nüchternen, trockenen Interpretation verleiten. Hier aber entstand durch die klare Akustik ein beinahe extremer Spaltklang, in welchem Streicher, Holz und Blechbläser nicht nur genau lokalisierbar waren, sondern auch akustisch selbständig auftraten.
Es ergab sich eine unerhörte Transparenz, die es dem Dirigenten erlaubte, bei zügigen Tempi mit Schwung und expressiver Dynamik zu musizieren, die Emotionen aufwallen zu lassen, ohne dass die Musik deswegen je überladen geklungen hätte. Bläsersoli hätten nicht klarer tönen können, selbst wenn die Musiker am vorderen Bühnenrand gestanden hätten. Luisis Übergänge waren sanft, jederzeit harmonisch, die dynamische Spanne enorm (kein Wunder bei 60 Streichern und einer derart großen Zahl von Bläserstimmen!). Nie aber war die Musik kalte, glatte Perfektion – immer war die Aufführung mit Leben erfüllt, nicht nur im Blechglanz und im Fortissimo der Streicher, sondern genauso in den intimen Partien, etwa in den Stellen mit Violinsolo.
Solist im Violinkonzert Nr. 1 von Paganini war der 22-jährige Koreaner InMo Yang, der fast scheu, bescheiden, und ohne Zeichen von Nervosität das Podium betrat (das Werk gehört zu den Kernstücken seines Repertoires). Paganini war definitiv ein Meister seines Fachs als Geiger – als Schöpfer von Originalkompositionen lag ihm eher die Kleinform (Capricen, Variationen) als größere Werke. Das Konzert scheint mit seinen unzähligen Tempowechseln in eine Vielzahl von Episoden zu zerfallen, die zwar durchaus fantasievolle Einfälle vorstellen, doch zusammen schwerlich ein Ganzes ergeben. Bei den Ideen hat Paganini offensichtlich von Rossini abgeschöpft und das Resultat klingt in der Tat wie die Ouvertüre einer Oper, eine Abfolge von „Vorabzitaten", aber ohne schlüssigen, thematischen Zusammenhalt, ohne durchgehenden rhythmischen Verlauf. Immerhin, eine „Ouvertüre" passt ins Opernhaus, und sowohl Fabio Luisi wie InMo Yang zeigten Sinn fürs Drama, formten aus den Episoden, soweit möglich, einen Ablauf.
Yangs Stradivari trug ausgezeichnet über dem leicht verkleinerten Streichkörper des Orchesters; das Instrument klang hell, jedoch nie scharf, in der Tiefe warm, gesamthaft sehr ausgeglichen. Der Solist spielte die Phrasen mit expressivem Rubato und anspruchsvollen Tempi, agil, mit ausgezeichneter Intonation über die ganze Spanne des Griffbretts, mit stupender Technik, durch all die Springbogen- und Flageolett-Passagen, die doppelgriffigen Läufe, das damals revolutionäre Pizzicato mit der linken Hand. Ebenso phänomenal die halsbrecherische Kadenz von Émile Sauret, im Mittelteil auf „menschlichere" Dimensionen zurechtgestutzt. Im langsamen Satz, einem dramatisch-expressiven Recitativo accompagnato, scheint Paganini endgültig ins Opernfach zu wechseln: sehr sprechend im Solopart, und Luisi ist dem Geiger ein zuverlässiger, flexibler Begleiter. Der Schlusssatz überzeugt als Komposition am meisten. Es ist aber auch der anforderungsreichste, nicht nur in den raschen Passagen, sondern ebenso in der Intonation im Mittelteil, in dem das Solo extrem exponiert ist. Hier war InMo Yang sichtlich gefordert, nahm dafür im letzten Teil das Heft umso mehr wieder in die Hand. Als Zugabe spielte der Solist Recitativo and Scherzo-Caprice, Op.6, von Fritz Kreisler.