Schnell noch ein Gruppenfoto geschossen und Sekunden später schon waren die Musiker des Houston Symphony Orchestra in die Ouvertüre der West Side Story vertieft. Die Amerikaner sind zur Zeit auf Europatournee und machten auch in München halt. Dabei eröffneten die Texaner das Programm ganz lässig mit demMusical-Hit des Jubilars Leonard Bernstein und beendeten ihr Gastspiel hochdramatisch mit der Siebten Symphonie von Antonin Dvořák.
So vibrierend rhythmisch und swingend opulent wie das Houston Symphony Orchestra die Ouvertüre aus der West Side Story unter der Leitung ihres Chefdirigenten Andrés Orozco-Estrada interpretierte, kann es wahrscheinlich nur ein amerikanisches Orchester. Dabei wirkten die oft gehörten Ohrwürmer frisch und nicht im Mindesten abgewetzt. Da swingt das Blech in der einen Sekunde, während in der nächsten bereits die Streicher das Liebesthema dahin schmachten – alles angeleitet von einem tanzenden und grinsenden Orozco-Estrada, der das Münchener Publikum im Nu auf seine Seite zog.
Eine völlig andere Seite des kompositorischen Schaffens Leonard Bernsteins zeigten die Texaner anschließend mit der Serenade für Violine, Streicher, Harfe und Schlagzeug. In der Serenade bezog sich Bernstein auf Platos Symposium, in dem der antike Philosoph berühmte Weggefährten wie Sokrates und Aristophanes über den Liebesgott Eros fabulieren lässt. Bernstein entwickelte daraus einen fünfsätzigen Dialog zwischen Solovioline und Orchester, der mit lyrischer Schwermütigkeit oder derber Verspieltheit die Reden des Gastmahls ausdeutete – nicht ohne tanzliedhaft-jazzigem Abschluss.
Die Solovioline interpretierte die Amerikanerin Hilary Hahn, die Bernsteins Werk über die Liebe in all seinen Facetten in sich aufgenommen zu haben schien. Egal ob lyrisch nachdenklicher Ton oder burlesker Charakter, Hahn wusste stets die richtige Stimmung zu treffen. Dabei entwickelte sie besonders in den schnellen Sätzen einen herrlich erdigen Klang. Gleichzeitig wirkten selbst die trunkenen, übermütigen Aussprüche des Sokrates im letzten Satz technisch hochpräzise und glasklar. Die Chemie zwischen Solistin und Orchester stimmte, was sich vor allem im sehnenden, lyrisch dissonanten vierten Satz offenbarte. Mit konsequenten Linien und einem wandlungsreichen Spannungsbogen entwickelten Hahn und das Houston Symphony Orchestra einen packenden, introvertierten Dialog.