Wiedersehen macht Freude. Das gilt insbesondere für die raren Staatsopern-Auftritte von Elīna Garanča, aber auch für das sizilianisch-kalabresische Doppelpack von Pietro Mascagni respektive Ruggero Leoncavallo. Nach fünf Jahren im Depot veredeln die pittoresken Kulissen des großen Jean-Pierre Ponnelle nun wieder die Bühne im Haus am Ring, und eine durchwegs erstklassige Besetzung sorgt zurecht für Bravo-Rufe.
Cavalleria rusticana und Pagliacci kann man auch ohne Ironie als Blut- und Boden-Opern, quasi Albin Egger-Lienz für die Bühne bezeichnen. In beiden werden die Messer gezückt (Cavalleria endet mit einem Duell-Tod nach Ehebruch, Pagliacci mit dem Mord des Clowns an seiner untreuen Ehefrau auf offener Bühne), und der Boden steht für die Verortung dieser Geschichten in Süditalien, wo es in Liebesangelegenheiten angeblich heißer (oder zumindest eifersüchtiger) als im Norden zugeht. Dazu kommen in der Cavalleria noch die sizilianischen Bräuche in Bezug auf die Oster-Feierlichkeiten und die Austragung zwischenmenschlicher Konflikte: Mit einem Biss ins Ohr sagt Turiddu seinem Kontrahenten Alfio einen Messer-Kampf auf Leben und Tod an – und wird unterliegen.
Will man diese Oper gewordenen Kurzgeschichten glaubhaft vermitteln, ist man daher insbesondere bei der Cavalleria gut beraten, am Boden bzw. im originalen Kontext zu bleiben; daran hat sich etwa auch Philipp Stölzl in seiner Salzburger Regiearbeit von 2015 gehalten – hinsichtlich Ausstattung und Personenregie bleiben ohnehin genug Möglichkeiten, sich kreativ auszutoben. In Ponnelles mittlerweile 34 Jahre alter Inszenierung gefallen die beiden Ansichten eines aus Stein gebauten Dorfes nach wie vor, und die Idee, die fatale Vorstellung einer fahrenden Komödiantentruppe aus der Perspektive hinter der Bühne zu zeigen, ist ohnehin ein theatralischer Geniestreich. Zusätzlich ist das gesamte Bühnenpersonal bei Ponnelle immer gut beschäftigt: In der Cavalleria gibt es ein reges Dorfleben samt Osterprozession um die Kirche, und in Pagliacci sehen wir, wie sich der Chor – das Publikum der zur Tragödie gewordenen Komödie – mit Grauen von der Mordszene abwendet.
Dazu braucht es natürlich schauspielerisches Talent. Andererseits darf man nicht zu viel des Guten, zu viel „Theater“ machen. So wie man Elektra leise spielen sollte, weil sie ohnehin laut komponiert ist (Richard Strauss höchstpersönlich), darf man bei den beiden dicht und auch plakativ komponierten One-Hit-Wonders ebenfalls nichts übertreiben – das stünde auch im Gegensatz zu beider Grundidee – schließlich gelten sie als Urform des Verismo.
Erfreulicherweise ist am besprochenen Abend niemand in diese Falle getappt, wiewohl samt und sonders Rollendebütanten am Werk waren. Elīna Garanča hat die Santuzza zwar schon andernorts gesungen, aber ein Wien-Debüt ist immer noch etwas Besonderes, und in dieser Partie ist sie besonders überzeugend. Die „Santa“ (dem Namen nach „Heilige“), die sich mit Turiddu eingelassen hat, von diesem aber mit ihrer Vorgängerin Lola betrogen wird, ist eine komplexe Figur, und Garanča zeigt sie in allen Facetten: eine Außenseiterin, gläubig aber verführt, gekränkt und stolz zugleich, ihr Herz tödlich auf der Zunge tragend – die Liste ließe sich noch fortsetzen.