Das erste Konzert der ORPHEUM Stiftung zur Förderung junger Solisten in diesem Jahr brachte der Zürcher Musikszene erneut die Begegnung mit zwei vielversprechenden Jungtalenten. Der 19-jährige Sheku Kanneh-Mason hat sich Schostakowitschs Erstes Cellokonzert auf die Flagge geschrieben und damit in England bereits beachtliche Erfolge gefeiert. Die Karriere des 23-jährigen Emmanuel Tjeknavorian ist weiter fortgeschritten, hat er doch die wichtigsten und populärsten Violinkonzerte schon auf Wettbewerben und im Konzert mit namhaften Dirigenten und Orchestern präsentiert. Auf seine Interpretation des Violinkonzerts von Brahms durfte man also gespannt sein.
Als Auftakt jedoch dirigierte Michael Sanderling das Tonhalle-Orchester in der Karneval-Ouvertüre von Dvořák. Vom ersten Takt weg war es ein hinreißend-virtuoses Schaustück in ausgelassener Stimmung. Das Orchester präsentierte sich in Bestform, artikulierte klar und präzise und die harten Paukenschläge setzten prägnante Akzente, während Michael Sanderling mit leichter, akkurater Hand dirigierte. Charakteristisch für Dvořák ist der schwermütige Anstrich im elegischeren Mittelteil, der sich zu Ausgelassenheit aufschwingen will. Weitere, unmittelbare Szenenwechsel folgen, scheinbar den Verlauf einer Oper antizipierend, obwohl die Komposition gar keiner Oper zugeordnet ist – ein ausgezeichneter Konzertbeginn ist sie alleweil.
Das Cellokonzert von Schostakowitsch entstand 1959 für den Freund des Komponisten, Mstislav Rostropowitsch. Die Schwierigkeit dieses Werks liegt nicht nur in technischen Aspekten wie Virtuosität und Intonation, sondern auch darin, dass der Widmungsträger dieses unzählige Male präsentiert hatte. Mehrere seiner Aufführungen sind auf CD und als Video verfügbar und gelten als Referenzaufnahmen und wer sie sich angesehen, respektive angehört hat, dem bleibt diese Darbietung zweifelsohne im Gedächtnis haften. Für Interpreten stellt sich somit die Frage, ob diese Dokumente die alleingültige Sicht repräsentieren, beziehungsweise wie weit man sich davon entfernen soll und darf, denn es gibt keinen verbindlichen Kanon, der festlegt, wie weit Werktreue auszulegen ist.
Rostropowitsch betont in seiner Interpretation die motorische, mechanische Seite, artikuliert schon den Beginn ausgesprochen perkussiv und ernst, beinahe verbissen. Sheku Kanneh-Mason ging den Eingangssatz ganz anders an. Erst verhalten, in sich gekehrt, beinahe spielerisch und unbeschwert öffnete er sich erst, wo sein Part in die Höhe strebte. Er artikulierte genau, prägnant, aber nicht übermäßig scharf, kaum perkussiv, rhythmisch sicher und mit guter Intonation. Er ließ sein Amati-Cello in mittleren und hohen Regionen intensiv singen, wo immer sich Gelegenheit dazu bot. Der Dirigent hätte das Orchester etwas mehr zurückbinden sollen, denn Bläser und Pauken wirkten oft vergleichsweise hart, beinahe grob. Dafür nahm Sanderling das Moderato betont weich, lyrisch, sorgfältig, mit verhaltener Dynamik. Der Solist, offensichtlich aufs Intimste vertraut mit dem Werk, musizierte ruhig, unaufgeregt, nie forciert und mit intensivem Singen in breiten dynamischen Bögen.