Tod und Zerstörung, Mord und das Zerreißen von Familien. Am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus spielt die Staatsoper Berlin Richard Strauss‘ Elektra. Die Shoah ist nicht zu vergleichen. Krieg dagegen gab es schon immer und dieser hatte schon immer Auswirkungen auf Familien, auch die mächtigen. Ganz in schwarz sitzen an diesem Abend auch Angela Merkel und ihr Mann Joachim Sauer im 1. Rang und schauen sich die Tragödie um die zurückgelassene Elektra und ihre hilflose Schwester Chrysothemis an.
Der leider schon verstorbene Regisseur Patrice Chéreau interpretiert das Drama ganz psychologisch. In einem leicht historisch angehauchten, braun-grauen Bühnenbild lässt er Elektra ihre Einsamkeit besingen und betanzen. In einer Choreografie der Trauer und Rachsucht wettert Elektra gegen die vatermordende Mutter Klytämnestra. Die Inszenierung vertraut voll und ganz auf das Spiel der Sänger und ist im Gegensatz zur Musik wenig aufgeregt.
Ricarda Merbeth verkörperte eine Elektra, die in ihren eigenen Gedanken gefangen ist. Schon mit den Rufen nach „Agamemnon“ ergriff sie die Herzen des Publikums. Ihre starke Stimme mit großem Vibrato, kann nicht nur markerschütternd sein, sondern auch überraschend fein und warm, als sie die Rückkehr ihres Bruders Orest besang. Sie wurde immer mehr zur Elektra und selbst in den hohen Lagen war sie gut zu verstehen.
Ihre Schwester Chrysothemis wurde von Vida Miknevičiūtė gesungen. Ihre Stimme ließ einem das Blut gefrieren. Miknevičiūtės Sopran ist raumergreifend groß und teils schrill. Es scheint nur einen Modus zu geben, der gut funktioniert, aber der funktioniert! Es ist auch ein Abend der Legenden, schließlich kam neben Franz Mazura (Pfleger des Orest) auch Waltraud Meier für die Wiederaufnahme zurück auf die Bühne. Was für eine Präsenz diese Frau immer noch hat, zeigte sie in der Rolle der Klytämnestra. Besonders ihre Tiefen sind reif und warm, ihr Spiel faszinierend.