„Sie wissen dass ich sozusagen in der Musique stecke – dass ich den ganzen Tag damit umgehe“, so Mozart 1778 in einem Brief an seinen Vater. Sehr sinnig hat die Staatskapelle Berlin dieses Zitat für Martha Argerich ausgewählt, die ihren 75. Geburtstag mit einem zweieinhalbstündigen Nachmittagskonzert in der Philharmonie beging – unter der partnerschaftlichen Leitung von Daniel Barenboim. (Über den könnte man dasselbe sagen, jedoch mit einer Schlagseite ins Workaholische: Im Anschluss dirigierte er Bohuslav Martinůs Julietta in der Staatsoper im Schillertheater).
Es wäre unflätig, am Geburtstagskonzert der, wer wollte es bezweifeln, größten lebenden Pianistin herumzumäkeln, zumal die Party einem guten, wenn auch unersättlichen Zweck diente, der Sanierung des Stammhauses der Staatsoper Unter den Linden. Doch da eine Kritik eine Kritik sein soll, keine Lobhudelei, hier vorweg alles Negative. Erstens: Der Streichereinsatz beim Happy Birthday, mit dem das Orchester die bereits am Steinway sitzende Jubilarin überraschte, war unsauber. Zweitens: kein zweitens.
Der emotionale Höhepunkt stand bereits am Beginn, als Argerich und Barenboim das Konzert an zwei Flügeln eröffneten, mit Wolfgang Amadeus Mozarts Sonate für 2 Klaviere in D-Dur KV448; Argerich wie immer, als wolle sie sich schützen, am inneren der beiden Flügel sitzend. Vordergründig dominierte Barenboim, der merklich präziser spielte als bei einigen solistischen Auftritten der letzten Jahre. Doch den spannungsreicheren, flexibleren, lyrischeren Ton hat Argerich. Im direkten Vergleich der Nachschläge im Kopfsatz wirkte Barenboim gegenüber Argerichs Zartheit fast grob. Als Argerichs Flügel im Andante das Thema übernahm, kam inneres Leuchten in die Musik. Jede Phrase, die bei Barenboim schon sehr gut klang, bekam bei Argerich das gewisse Etwas: Ihre hohe Schule der Agogik, etwa am zögernden Beginn der Durchführung des Kopfsatzes, machte aus schöner Musik große Musik. Obwohl oder gerade weil die Unterschiede in Temperament und Präzision hörbar blieben, spürte man in jedem Moment die musikalische Intimität zwischen diesen beiden Pianisten – blindes Vertrauen, das hellsichtig macht.
Atemberaubend geriet dann Argerichs Interpretation der Klavierkonzerte Nr. 1 und 2 von Ludwig van Beethoven . Zwei bedeutende Pianisten aus Argerichs Generation, Radu Lupu und Maurizio Pollini, waren zuletzt in Berlin zu hören: Da waren in technischer Hinsicht gewisse Alterserscheinungen unüberhörbar (die man angesichts großer künstlerischer Persönlichkeiten und musikalischer Übersicht gern in Kauf nahm). Bei Argerich keine Spur davon; sie spielte traumwandlerisch sicher gerade in den virtuosen Passagen des Ersten Klavierkonzerts in C-Dur, Op.15.