Die Wiederaufnahme der letztjähren Neuinszenierung von Verdis Otello an der Wiener Staatsoper begeistert mit einer großartigen Besetzung. Sie kompensiert vieles von dem, was die Regiearbeit von Adrian Noble schuldig bleibt.
Nicht wenige populäre Geschichten erzählen von den menschlichen Schwächen ihrer Protagonisten, manche sogar von körperlichen Besonderheiten, man denke nur an Cyrano de Bergerac oder Rigoletto. Aber auch die einzigartig schönen Damen, ohne die kaum ein Drama auskommt, haben es nicht leicht – je schöner und unschuldiger das Opfer, desto größer in der Regel die Tragödie. In Otello treffen gleich zwei dieser „besonderen“ Figuren aufeinander: Otello ist bekanntermaßen dunkelhäutig, und als Heerführer im fremden Land buchstäblich einsame Spitze. In dieser Außenseitersituation misstraut er seinem eigenen Glück und projiziert, angestachelt durch Jago, seine Zweifel auf Desdemona.
Entscheidet man sich nun wie Adrian Noble gegen Blackfacing (was völlig nachvollziehbar ist), muss man sich für die optische Umsetzung von Otellos „Anderssein“ etwas einfallen lassen, ohne in ein weiteres Fettnäpfchen zu treten. Ein helles, einem Priestergewand ähnelndes Kostüm (Ausstattung: Dick Bird) ist allerdings keine überzeugende Lösung. Einem strahlenden Helden wie diesen glaubt man keine Unsicherheit, keinen Selbstzweifel, und auch nicht die überstandene Schlacht. Es fehlt die Exposition eines wesentlichen Faktors, wodurch der Knacks in Otellos Selbstbewusstsein zu einem schweren Charakterfehler verkommt. Allerdings ist die Rolle des Psychopathen in diesem Stück mit Jago bereits besetzt, weshalb das Drama in den ersten beiden Akten in Schieflage gerät und sich ein weiteres Glaubwürdigkeitsproblem auftut: Auch wenn sich der Sänger des Otello um eine differenzierte Darstellung bemüht, wird man selbst zu Beginn kaum Sympathie oder Verständnis für diese Figur aufbringen, und das fühlt sich nicht richtig an. Immerhin funktioniert die Geschichte ab dem dritten Akt besser, da Jagos Intrige bereits Fakten geschaffen hat.
Von dieser grundsätzlichen Problematik abgesehen, bewegen wir uns in einer Wohlfühlinszenierung, die niemanden herausfordert. Ihr Stil ist am ehesten das, was englischsprachige Wohnmagazine „transitional“ nennen, also eine Verbindung aus Althergebrachtem und Zeitgenössischem. Vom besprochenen Otello-Kostüm abgesehen, sehen wir Kolonialisten-Mode der Jahrhundertwende, wehende Stoffbahnen zum anfänglichen Sturm, und zur Abwechslung rotbraune statt der üblichen grauen Säulen. Am originellsten wirkt das fatal-finale Ehebett, das mit seinen optimistischen Terrakotta- und Goldtönen einen spannenden Kontrast zu seiner Funktion als Mordschauplatz bildet.
Spannend auch, was Jonathan Darlington am Pult des Staatsopernorchesters ablieferte: Die Tavernenszene im ersten Akt wird manchmal nachlässig-fad gespielt, wirkte aber diesmal sehr lebendig, da das Orchester das Bühnengeschehen ironisierend akzentuierte und kommentierte. Ganz allgemein hörte man viele Feinheiten, zu denen jedoch die dramatischen Stellen einen manchmal recht harten Kontrast bildeten.